Einleitung
Eine Darreichungsform, die sich allgemein für alle Altersgruppen eignet, existiert nicht. Die Auswahl hängt von mehreren Faktoren wie Alter, geistiger und körperlicher Entwicklung und Koordination ab. Auch in der pädiatrischen Patientenpopulation gilt, dass die orale Verabreichung von Arzneimitteln, wenn möglich, stets zu präferieren ist. Eine wichtige „Grenze“ ist das Alter, ab welchem das Kind oral verabreichte Arzneimittel in fester Form (Tabletten, Kapseln) im Ganzen schlucken kann. Diese Altersgrenze liegt durchschnittlich bei 6 Jahren. Es zeigt sich jedoch immer häufiger, dass das Schlucken von nicht zerkleinerten Arzneimitteln auch jüngeren Kindern (3-5 Jahre) beigebracht werden kann. Bei jüngeren Kindern sollte dies unter Beobachtung erfolgen. Im Hinblick auf die Compliance sollte eine minimale Verabreichungsfrequenz angestrebt werden.
Darreichungsformen:
Orale Darreichungsformen
Flüssige Arzneiformen sind vor allem für Kleinkinder geeignet, welche oral zu verabreichende Arzneimittel (noch) nicht gut in fester Form schlucken können. Ob eine flüssige Arzneiform akzeptiert wird, hängt unter anderem vom Geruch, dem Geschmack und dem Volumen der Einzeldosis ab. Geschmack und Stabilität sind bei Säften oft ein größeres Problem als bei festen Verabreichungsformen. Säfte haben jedoch den wichtigen Vorteil, dass sich die Dosierung flexibel abmessen lässt. Es werden vorzugsweise klare Flüssigkeiten mit dem gelösten Arzneistoff verwendet, da bei einer Suspension durch unzureichendes Schütteln die Einzeldosen stark voneinander abweichen können.
Es sollten folgende maximale Volumina pro Verabreichung eingehalten werden:
< 5 Jahre*: maximal 5 ml
> 5 Jahre: maximal 10 ml
* für Neugeborene sind 5 ml pro Dosis oft noch zu viel, weshalb ein Volumen von < 1 ml angestrebt wird.
Tabletten und Kapseln bieten den Vorteil, dass das Risiko von falsch abgemessenen Dosierungen geringer ist als bei Säften. Für abweichende Dosierungen besteht in manchen Fällen die Möglichkeit, dass Apotheken Kapseln aus den kommerziell erhältlichen Tabletten herstellen. Bei Kindern mit Schluckproblemen können die Kapseln geöffnet und eventuell mit der Nahrung oder einem Getränk gemischt werden (Fachinformation oder Herstellerinformation beachten).
Bei Anwendung in der Mundhöhle spielt der Geschmack ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Kontaktzeit des Arzneimittels mit der Mundschleimhaut wird durch den Geschmack beeinflusst. Die Dosierung kann durch mehrere Faktoren beeinflusst werden. So kann das Arzneimittel bereits vorzeitig herunter geschluckt oder ausgespuckt werden.
Rektale Darreichungsformen
Rektale Darreichungsformen eignen sich, wenn die orale Einnahme nicht möglich ist und sind bei Kleinkindern sehr gebräuchlich. Es kann vorkommen, dass diese Darreichungsformen frühzeitig ausgeschieden wird, was die Wirkung negativ beeinflussen kann. Ab einem Alter von ca. 5 Jahren wird die rektale Verabreichung weniger gut akzeptiert.
Das Volumen von Klysmen, die auf eine systemische Wirkung abzielen, sollte so klein wie möglich gehalten werden, unter anderem um Reizungen vorzubeugen. Darüber hinaus wird empfohlen, die Spitze des Klysmas vor der Anwendung mit Wasser anzufeuchten.
Ein Volumen von 1 - 5 ml ist in Abhängigkeit vom Alter des Patienten akzeptabel.
Propylenglykol, das in Kombination mit Wasser und Ethanol als Grundlage für Klysmen fungiert, wirkt hygroskopisch und kann dadurch zu einer lokalen Reizung der Schleimhäute führen.
Kutane Darreichungsformen
Das Verhältnis Körperoberfläche/Körpergewicht ist bei Kindern viel größer als bei Erwachsenen. Dies führt dazu, dass das Risiko systemischer Nebenwirkungen bei Verwendung von Dermatika bei Kindern höher ist.
Parenterale Darreichungsformen
Vor allem bei Neugeborenen ist es wichtig, die zu verabreichenden Volumina bei parenteraler Anwendung so klein wie möglich zu halten.
Oftmals können kommerziell erhältliche Ampullen für Erwachsene verwendet werden. In manchen Fällen muss jedoch eine Verdünnung der Lösung erfolgen, um eine genaue Dosisabmessung zu ermöglichen.
Pulmonale Verabreichungsformen
Die Wahl der Verabreichungsform hängt vom Alter und der Vorliebe des Patienten ab, um eine möglichst gute Compliance zu erreichen. Vorzugsweise ist in Verbindung mit einer besseren Lungendeposition ein Dosisaerosol in Kombination mit einer Inhalationshilfe (Spacer) zu verschreiben, z.B.: Babyhaler (1-4 Jahre), Volumatic (über 4 Jahre), Aerochamber (mit Baby-Inhalationshilfe 0-1 Jahr; mit Kinder-Inhalationshilfe 1-4 Jahre; mit Mundstück über 4 Jahre). Bei Kindern unter 4 Jahren sollte eine Inhalationshilfe in Kombination mit einer Maske verwendet werden. Bei Kindern über 7 Jahren besteht die Option eines Autohalers oder eines Trockenpulverinhalators (z.B. Diskus, Novolizer, Cyclohaler, Easyhaler, Clickhaler). Verwendung von Trockenpulver-Inhalatoren (DPI) durch Kinder: die meisten klinischen Studien wurden mit dem Turbohaler und dem Diskus durchgeführt. Wichtig ist eine ausreichende Schulung des Patienten. Informationsvideos zur korrekten Anwendung finden sich bei der Deutschen Atemwegsliga.
Tabelle 1: Empfehlungen zur Auswahl des Devices laut GINA-Leitlinie
Alter | Bevorzugtes Device | Alternatives Device |
0 bis 3 Jahre | Dosieraerosol plus Spacer mit Maske | Vernebler mit Maske* |
4 bis 5 Jahre | Dosieraerosol plus Spacer mit Mundstück | Dosieraerosol plus Maske oder Vernebler mit Mundstück oder Maske* |
≥6 Jahre | Dosieraerosol mit oder ohne Spacer | Pulverinhalator |
*Vernebler nur für Kinder, denen der Gebrauch eines Spacers nicht beigebracht werden kann; bei ICS-Gabe über Vernebler muss Mundstück verwendet werden um Augenkontakt zu vermeiden.
Okuläre Darreichungsformen
Diese Gruppe bedarf keiner zusätzlichen Erklärung.
Nasale Darreichungsformen
- Nasentropfen
- Nasenspray
Aurikuläre Darreichungsformen
Diese Gruppe bedarf keiner zusätzlichen Erklärung.
Tabelle 2: Geeignete Darreichungsformen nach Altersklasse
Darreichungsform | Frühgeborene | 0 - 28 Tage | 1 Monat - 2 Jahre | 2 - 5 Jahre | 6 - 11 Jahre | 12 - 16/18 Jahre |
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Oral | ||||||
Lösung / Tropfen | - (akzeptabel, jedoch problembehaftet) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | ++ (akzeptabel und bevorzugte Form) | ++ (akzeptabel und bevorzugte Form) | + (leichte Präferenz) | + (leichte Präferenz) |
Emulsion / Suspension | - (akzeptabel, jedoch problembehaftet) | +/- (wahrscheinlich akzeptabel, hat jedoch keine Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | ++ (akzeptabel und bevorzugte Form) | + (leichte Präferenz) | + (leichte Präferenz) |
Brausetablette | - (akzeptabel, jedoch problembehaftet) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | ++ (akzeptabel und bevorzugte Form) | ++ (akzeptabel und bevorzugte Form) | + (leichte Präferenz) | + (leichte Präferenz) |
Pulver | -- (nicht akzeptabel) | - (akzeptabel, jedoch problembehaftet) | - (akzeptabel, jedoch problembehaftet) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (leichte Präferenz) | ++ (erste Wahl / Präferenz) |
Tablette | -- (nicht akzeptabel) | -- (nicht akzeptabel) | -- (nicht akzeptabel) | +/- (wahrscheinlich akzeptabel, hat jedoch keine Präferenz) | + (leichte Präferenz) | ++ (erste Wahl / Präferenz) |
Kapsel | -- (nicht akzeptabel) | -- (nicht akzeptabel) | -- (nicht akzeptabel) | - (akzeptabel, jedoch problembehaftet) | + (leichte Präferenz) | ++ (erste Wahl / Präferenz) |
Schmelztablette | -- (nicht akzeptabel) | - (akzeptabel, jedoch problembehaftet) | +/- (wahrscheinlich akzeptabel, hat jedoch keine Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | ++ (erste Wahl / Präferenz) | ++ (erste Wahl / Präferenz) |
Kautablette | -- (nicht akzeptabel) | -- (nicht akzeptabel) | -- (nicht akzeptabel) | +/- (wahrscheinlich akzeptabel, hat jedoch keine Präferenz) | ++ (erste Wahl / Präferenz) | ++ (erste Wahl / Präferenz) |
Nasal | ||||||
Lösung | +/- (wahrscheinlich akzeptabel, hat jedoch keine Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | ++ (erste Wahl / Präferenz) | ++ (erste Wahl / Präferenz) |
Rektal | ||||||
Zäpfchen | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | ++ (akzeptabel und bevorzugte Form) | ++ (akzeptabel und bevorzugte Form) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | +/- (akzeptabel) | - (akzeptabel unter Vorbehalt) |
Klysma | ++ (akzeptabel und bevorzugte Form) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | +/- (wahrscheinlich akzeptabel, hat jedoch keine Präferenz) | +/- (akzeptabel) | - (akzeptabel unter Vorbehalt) |
Kapsel | - (akzeptabel, jedoch problembehaftet) | +/- (wahrscheinlich akzeptabel, hat jedoch keine Präferenz | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (leichte Präferenz) | +/- (akzeptabel) |
(Trans-) Dermatika | ||||||
Salbe / Creme / Gel | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | ++ (akzeptabel und bevorzugte Form) | ++ (erste Wahl / Präferenz) | ++ (erste Wahl / Präferenz) |
Pflaster | -- (nicht akzeptabel) | - (akzeptabel, jedoch problembehaftet) | - (akzeptabel, jedoch problembehaftet) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (leichte Präferenz) | ++ (erste Wahl / Präferenz) |
Parenteral | ||||||
Intravenös | ++ (akzeptabel und bevorzugte Form) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (leichte Präferenz) | +/- (akzeptabel) |
Intramuskulär | +/- (wahrscheinlich akzeptabel, hat jedoch keine Präferenz) | +/- (wahrscheinlich akzeptabel, hat jedoch keine Präferenz) | +/- (wahrscheinlich akzeptabel, hat jedoch keine Präferenz | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (leichte Präferenz) | +/- (akzeptabel) |
Subkutan | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (leichte Präferenz) | +/- (akzeptabel) |
Pumpsystem | ++ (akzeptabel und bevorzugte Form) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (leichte Präferenz) | +/- (akzeptabel) |
Pulmonal | ||||||
Zerstäuber | -- (nicht akzeptabel) | +/- (wahrscheinlich akzeptabel, hat jedoch keine Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | ++ (akzteptabel und bevorzugte Form) | + (leichte Präferenz) | + (leichte Präferenz) |
Inhaliergerät Vernebler | - (akzeptabel, jedoch problembehaftet) | +/- (wahrscheinlich akzeptabel, hat jedoch keine Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | ++ (akzeptabel und bevorzugte Form) | + (leichte Präferenz) | +/- (akzeptabel) |
Pulverinhalator | -- (nicht akzeptabel) | -- (nicht akzeptabel) | +/- (wahrscheinlich akzeptabel, hat jedoch keine Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | ++ (erste Wahl / Präferenz) | ++ (erste Wahl / Präferenz) |
Okulär | ||||||
Tropfen | +/- (wahrscheinlich akzeptabel, hat jedoch keine Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | + (akzeptabel/leichte Präferenz) | ++ (erste Wahl / Präferenz) | ++ (erste Wahl / Präferenz) |
Tabelle 2 wurde aus einer Übersicht aus dem ‚Reflection paper: formulations of choice for the paediatric population‘ übersetzt. EMEA. London, am 28. Juli 2006.
Referenzen
Quelle: kinderformularium.nl