Allgemeine Hinweise zur Anwendung von Antidepressiva und Antipsychotika im Kindes- und Jugendalter

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1. Allgemein
2. Antipsychotika
2.1. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
2.2. Kontrolluntersuchungen
3. Antidepressiva
3.1. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
3.2. Kontrolluntersuchungen
3.3. Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI)

 

1. Allgemein

Antipsychotika und Antidepressiva sollten von einem Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder von einem fachkundigen Arzt, der mit der Anwendung dieser Arzneimittel bei Kindern und Jugendlichen bestens vertraut ist, verschrieben werden.

 

2. Antipsychotika

Grundsätzlich ist die Dosierung so niedrig wie möglich und die Behandlungsdauer so kurz wie möglich zu halten.

 

2.1. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Tabelle 1: Relevante UAW bei Antipsychotika-Therapie

UAW Therapie
Malignes neuroleptisches Syndrom Sofortiges Absetzen der antipsychotischen Medikation, Volumensubstitution, symptomatische Fieberbehandlung, Dantrolen/Bromocriptin
Extrapyramidal-motorische Störungen (EPS) Dosisanpassung, Biperiden
Agranulozytose (v.a. Clozapin) Absetzen von Clozapin, ggf. antibiotische Therapie, Cortison oder Granulozyten-Kolonie stimulierenden Faktor (G-CSF), in Rücksprache mit spezialisiertem Facharzt
Endokrine Veränderungen /metabolisches Syndrom (z.B. Gewichtszunahme, Hyperprolaktinämie, Diabetes Typ II) in Rücksprache mit spezialisiertem Facharzt
QT-Verlängerung in Rücksprache mit spezialisiertem Facharzt

 

2.2. Kontrolluntersuchungen [1]

Bei der Anwendung von Antipsychotika sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen durchzuführen. Diese sollten den individuellen körperlichen (z.B. Begleiterkrankungen, familiäre Risikofaktoren) und psychischen Voraussetzungen des Patienten angepasst werden.

Im Folgenden sind die Kontrolluntersuchungen nach Wirkstoffklasse aufgeführt.

Tabelle 2: Empfohlene Kontrolluntersuchungen vor und während der Antipsychotika-Therapie nach Gerlach et al. (2016), Correll CU (2011)

  Vor Therapiebeginn Bei jedem Arztkontakt Nach 3 Monaten Viertel-jährlich Halb-jährlich Jährlich
Körpergröße und -gewicht (errechnete BMI-Perzentile, BMI-Wert), evtl. Hüftumfang Ja Ja Nein Nein Nein Nein
Blutzucker: Nüchtern-Glukose Ja NeinA Ja JaB Ja Nein
Blutfette: Nüchtern-Serum-Lipide Ja Nein Ja Nein JaC Ja
TDM (Messung der Medikamentenkonz.) Bei Therapie-Beginn In besonderen Situationen (z.B. Compliancekontrolle, bei Auftreten von UAWs)
Leberwerte Ja Nein Ja Nein Nein Ja
Nierenretentions-werte Ja Nein Nein Nein Nein Nein
Differential-Blutbild Ja* Ja Ja Ja Nein JaD
Prolaktin Sofern symptomatisch, bei anamnestisch sexueller Dysfunktion
Blutdruck und Puls Ja Nein Ja Nein Nein JaE
EKG Ja JaG Nein Nein Nein Ja

A Polydipsie, Polyurie und ungewollten Gewichtsverlust erfragen als mögliche Symptome einer Hyperglykämie
B Häufigere Untersuchungen sind sinnvoll bei Hochrisikopatienten (z. B. familiärer Diabetes, nichtkaukasischer Herkunft, BMI ≥ 95. Perzentile, Gewichtszunahme ≥ 7 % innerhalb von 3 Monaten oder weniger, oder Gewichtszunahme ≥ 0,5 BMI des z-Wertes zu jedem Messzeitpunkt).
C Bei Gewichtszunahme
D bei unproblematischem Verlauf, häufiger bei Clozapin, Levomepromazin
E bei symptomlosem Verlauf
F elektiv vor Behandlungsbeginn bei familiärem Risiko
G bei (Kombination mit) QT-Zeit verlängernden Medikamenten
*bei abweichenden Werten darf keine Behandlung mit Levomepromazin erfolgen

 

3. Antidepressiva

3.1. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen

Tabelle 3: Relevante UAW bei Antidepressiva-Therapie

UAW Therapie
Serotonin-Syndrom (Speziell für SSRIs) Sofortiges Absetzen der Therapie, Volumensubstitution, evtl. symptomatische Fieberbehandlung, Methysergid in ansteigender Dosierung
Suizidalität  
QT-Verlängerung  

 

3.2. Kontrolluntersuchungen [1]

Bei der Anwendung von Antidepressiva sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen durchzuführen. Diese sollten den individuellen körperlichen (z.B. Begleiterkrankungen, familiäre Risikofaktoren) und psychischen Voraussetzungen des Patienten angepasst werden.

Im Folgenden sind die Kontrolluntersuchungen nach Wirkstoffklasse aufgeführt.

Tabelle 4: Empfohlene Kontrolluntersuchungen vor und während der Antidepressiva-Therapie nach Gerlach et al. (2016)

Untersuchung Vor Therapiebeginn Im Verlauf der Behandlung
Laboruntersuchung (Blutbild, Elektrolyte, Leber- und Nierenwerte) Ja Ja
Blutdruck und Puls Ja Ja
Gewichts- und Größenkontrolle, ggf. Monitoring der sexuellen Entwicklung Ja Ja
EKG Ja Ja
EEG Ja Nein
TDM - Im Steady state beim Auftreten von UAWs, bei Umstellung, Komedikation oder medikamentöser Augmentation

 

3.3. Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) [1]

SSRI müssen sowohl langsam auftitriert als auch langsam ausgeschlichen werden, um schwerwiegende UAW (z.B. Delir) zu vermeiden. Dosiserhöhungen sollten nach Erreichen des Fließgleichgewichts (Steady State) durchgeführt werden (ca. 8 Wochen bei Fluoxetin, sonst eine Woche).

Eine antidepressive Wirkung der SSRIs zeigt sich in der Regel nach 1–4 Wochen [1]. Nach Remission wird generell empfohlen, die SSRI-Behandlung für weitere 6–9 Monate fortzuführen, eine Entscheidung ist jedoch individuell zu treffen.

 

Referenzen

1. Gerlach M, Mehler-Wex C, Walitza S, Warnke A, Wewetzer C. Neuro-/Psychopharmaka im Kindes- und Jugendalter: Grundlagen und Therapie. 3. Auflage. Springer-Verlag Berlin Heidelberg. 2016.
2. Tao R, Emslie GJ, Mayes TL, Nakonezny PA, Kennard BD (2010) Symptom improvement and residual symptoms during acute antidepressant treatment in pediatric major depressive disorder. J Child Adol Psychop 20:423–430