Pyridostigmin ist ein indirektes Parasympathomimetikum und wird vorrangig als Antimyasthenikum eingesetzt. Es hemmt reversibel die Acetylcholinesterase - das Enzym, das Acetylcholin metabolisiert und inaktiviert. Folglich wird die Acetylcholin-Konzentration im synaptischen Spalt erhöht und es kommt zu einer verstärkten und verlängerten Acetylcholin-Wirkung an der motorischen Endplatte. Pyridostigmin, als quartäres Ammoniumsalz passiert aufgrund seiner geringen Lipidlöslichkeit nicht die Blut-Hirn-Schranke und zeigt vorrangig periphere Wirkungen.
Es sind keine spezifischen Informationen für Kinder vorhanden.
Tabletten 10 mg, 60 mg
Überzogene Tabletten 60 mg
Retardtabletten 180 mg
Injektionslösung 5 mg/ml
Allgemein
Die im Handel befindlichen Präparate enthalten Pyridostigmin in Form von Pyridostigminbromid. Die Angabe der Wirkstoffkonzentration und Dosierung ist jeweils auf Pyridostigminbromid bezogen.
Orale Anwendung
Präparate im Handel:
Präparat | Darreichungsform | Stärke als Pyridostigminbromid |
Problematische Hilfsstoffe | Altersangabe |
Kalymin® 10 N | Filmtabletten | 10 mgT0,M |
Lactose, Polysorbat 80 |
Kinder |
Kalymin® 60 N | Filmtabletten | 60 mgT2,M |
Lactose, Polysorbat 80 |
Erwachsene |
Mestinon® 10 | Tabletten | 10 mgT0 |
Lactose | Kinder |
Mestinon® 60 | überzogene Tabletten | 60 mgT0 | Sucrose | Kinder |
Kalymin® retard | Retardtabletten | 180 mgT2,M0 | - | k.A. |
Mestinon® retard | Retardtabletten | 180 mgT1,M0 | - | Erwachsene |
T2: teilbar in zwei gleiche Dosen, T1: nur teilbar zur erleichterten Einnahme, T0: nicht teilbar, M: mörserbar, M0: nicht mörserbar, k.A.: keine Angabe
Anwendungshinweis: Pyridostigmin mit Flüssigkeit einnehmen.
Parenterale Anwendung
Präparate im Handel:
Präparat | Darreichungsform | Stärke | Applikationsweg | Natriumgehalt | Altersangabe |
Kalymin® forte | Injektionslösung | 5 mg/ml | i.v. | <23 mg/ml | Erwachsene |
Mestinon® 5 | Injektionslösung | 5 mg/ml | i.v. i.m. s.c. |
<23 mg/ml | k.A. |
k.A.: keine Angabe
Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe)
Myasthenia gravis |
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GFR ≥10 ml/min/1.73m2: Dosisanpassung nicht erforderlich.
GFR <10 ml/min/1.73m2: Eine allgemeine Empfehlung zur Dosisanpassung kann nicht gegeben werden.
Wie alle cholinergen Produkte kann Pyridostigmin unerwünschte Wirkungen auf die Funktion des autonomen Nervensystems haben.
Muskarinerge Nebenwirkungen können sein: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchkrämpfe, gastrointestinale Hypermotilität sowie vermehrte Bronchialsekretion, Hypersalivation, Bradykardie und Miosis.
Die primären nikotinergen Effekte sind Muskelkrämpfe, Faszikulationen und Muskelschwäche.
Folgende schwerwiegende UAW wurden selten, sehr selten (<0,1 %) oder mit unbekannter Häufigkeit beobachtet:
[Ref.]
Die vollständige Auflistung aller unerwünschter Arzneimittelwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
[Ref.]
Die vollständige Auflistung aller Kontraindikationen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
[Ref.]
Die vollständige Auflistung aller Warnhinweise ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Interaktionspartner | Grund | Handlungsempfehlung |
Nicht-depolarisierende Muskelrelaxantien (z. B. Rocuronium, Pancuronium, Vecuronium) |
Pyridostigmin antagonisiert die Wirkung nicht-depolarisierender Muskelrelaxantien. Die durch Pyridostigmin erhöhten Acetylcholin-Konzentrationen können zu einer Verdrängung der stabilisierenden Muskelrelaxantien aus der Bindung an die Nikotinrezeptoren der motorischen Endplatte führen. | Wirkabschwächung bei Kombination sollte bedacht werden. |
Depolarisierende Muskelrelaxantien (z. B. Suxamethonium/Succinylcholin) | Pyridostigmin hemmt den Abbau von Suxamethonium durch die Acetylcholinesterase. Dies kann zu einer verlängerten Wirkdauer von Suxamethonium führen. | Anwendung mit Vorsicht, wenn möglich Pyridostigmin vor Operationen mit Einsatz von Muskelrelaxantien absetzen. |
Beta-Blocker (z. B. Propranolol) | Additive Hemmung auf kardiale Reizweiterleitung möglich. | Risiko der Bradykardie sollte bedacht werden. |
Die vollständige Auflistung aller Wechselwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen und einschlägigen Wechselwirkungsdatenbanken zu entnehmen.
In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.
Cholinesterasehemmer | ||
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Prostigmin
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N07AA01 |
Bei einer Überdosierung von Pyridostigmin kann es zur cholinergen Krise kommen, die eine intensivmedizinische Überwachung erforderlich macht. Wird eine solche Situation verkannt, so besteht wegen muskulärer Atemlähmung Lebensgefahr. Die cholinerge Krise muss von der myasthenen Krise unterschieden werden, die aufgrund einer Verschlechterung der Erkrankung auftreten kann. Sowohl die cholinerge als auch die myasthene Krise können sich in einer ausgeprägten oder gesteigerten Muskelschwäche äußern.
[Ref.]