Pharmakodynamik
Atropin hemmt die Wirkung des am parasympathischen Nervenende freigesetzten Acetylcholins auf das Erfolgsorgan durch Konkurrenz am Rezeptor. Es besitzt eine hohe Affinität zum Rezeptor, ohne diesen zu erregen. An den Erfolgsorganen wie glatten Muskeln, Drüsen, Herz wird die Wirkung anderer Parasympathomimetika aufgehoben. Cholinerge Übertragungen in Ganglien und an motorischen Endplatten werden allenfalls in toxischen Konzentrationen gehemmt, nicht jedoch in den üblichen Dosierungen. Atropin wird von fast allen Schleimhäuten gut resorbiert, insbesondere wird auch am Auge nach topischer Applikation eine gute transkonjunktivale Resorption beobachtet.
Pharmakokinetik bei Kindern
Keine speziellen Informationen für Kinder vorhanden.
Zulassung der Dosierungsempfehlungen
- Mydriatikum, Zykloplegikum
- okulär
- ≥1 Jahr bis <18 Jahre: zugelassen
- Akute Phase der Uveitis
- okulär
- ≥4 Jahre bis <18 Jahre: zugelassen
- Schwere Myopie
- okulär
- ≥4 Jahre bis <18 Jahre: off-label
Auszug aus Fachinformation
Auszug aus Fachinformation
Textauszug aus Fachinformation
Die Dauer der Anwendung bestimmt der behandelnde Arzt.
Bei Entzündungen ist die Notwendigkeit einer entsprechenden Zusatzmedikation (wie z. B. mit Antiphlogistika und/oder Antibiotika) zu beachten.
Okulär zur Ausschaltung der Akkommodation
- 2-3 mal täglich 1 Tropfen einer 0,5%igen Atropinsulfatlösung für 2-3 Tage
Okulär zur Einleitung einer Sehfehlerbestimmung (Refraktionsbestimmung)
- 3 mal täglich 1 Tropfen einer 0,5%igen Atropinsulfatlösung für 3 Tage
Okulär zur Ruhigstellung von Iris und Ziliarkörper bei akuten und chronischen intraokularen Entzündungen
- 1-2 mal täglich1 Tropfen einer 0,5%igen Atropinsulfatlösung solange therapeutisch erforderlich
Okulär zur Lösung von Akkomodationsspasmen bei Hyperopie (Weitsichtigkeit)
- 2-3 mal täglich 1 Tropfen einer 0,5%igen Atropinsulfatlösung für 2-3 Tage
weitere zugelassene Indikationen:
Okulär zur Sprengung von Verwachsungen/Verklebungen
- 3 mal täglich 1 Tropfen einer 0,5%igen Atropinsulfatlösung für 1-2 Tage
Okulär zur Penalisation, wenn eine Okklusionsbehandlung nicht möglich ist
- 1 mal täglich morgens 1 Tropfen einer 0,5%igen Atropinsulfatlösung solange therapeutisch erforderlich
[Ref.]
Präparate im Handel
Augentropfen 5 mg/ml, 10 mg/ml, 20 mg/ml
Okuläre Anwendung
Als Fertigarzneimittel stehen Augentropfen mit einer Konzentration von 0,5 % zur Verfügung. Für höhere Konzentrationen (1 % und 2 %) ist es möglich das Arzneimittel als Rezeptur herstellen zu lassen.
Präparate im Handel (ausgewählte Beispiele):
Präparat |
Stärke |
Problematische Hilfsstoffe |
Atropin-POS® |
0,5 % (5 mg/ml) |
Benzalkoniumchlorid |
Atropin EDO® |
0,5 % (5 mg/ml) |
- |
Atropinsulfat-Augentropfen 1% (Standardzulassung) |
1 % (10 mg/ml) |
Borsäure, Thiomersal |
Atropinsulfat-Augentropfen 2% (Standardzulassung) |
2 % (20 mg/ml) |
Borsäure, Thiomersal |
Anwendungshinweis: Augentropfen sollen grundsätzlich so angewendet werden, dass ein Kontakt des Tropfers mit Auge oder Gesichtshaut vermieden wird. [Ref.]
Lieferengpässe/weitere praktische Informationen
Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe)
Dosierungsempfehlungen
Mydriatikum, Zykloplegikum |
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Nierenfunktionsstörungen bei Kindern > 3 Monate
Keine Informationen zur Dosisanpassung bei Nierenfunktionsstörung vorhanden.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei Kindern
Es kann, insbesondere bei Kindern, zu anticholinergen systemischen Nebenwirkungen kommen, die sich z.B. durch Mund- und Hauttrockenheit, Hautrötung, erhöhte Körpertemperatur, Miktionsbeschwerden, Störungen der Darmperistaltik und Tachykardie kennzeichen können.
Bei Kleinkindern kann es sehr selten zu lebensbedrohlichen Zuständen wie Benommenheit, Krämpfe, hohes Fieber und Koma kommen.
[Ref.]
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen allgemein
- Akkommodationsstörungen
- Möglichkeit der Auslösung eines Glaukomanfalls (Winkelblockglaukom)
- Augendruckerhöhung bei manifesten oder latenten primär chronischen Glaukomformen bei disponierten Patienten
- erhöhte Blendempfindlichkeit infolge Mydriasis
- allergische Reaktion an Lid und Bindehaut (Augenbrennen, Lidödem, (papilläre) Konjunktivitis, Keratitis, Lidekzem, periokuläre (Kontakt-)Dermatitis, Dermatokonjunktivitis, Pruritus, Exanthem, Erythem, Urtikaria)
- Tränenfluss
[Ref.]
Die vollständige Auflistung aller Nebenwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Kontraindikationen allgemein
- Säuglinge und Kleinkinder bis 3 Monate
- Glaukom
- Rhinitis sicca
Mit besonderer Vorsicht anzuwenden bei:
- Tachykardien, Herzinsuffizienz, Koronarstenosen
- Thyreotoxikose, Hyperthyreose
- mechanischen Verschlüssen des Magen-Darm-Traktes
- paralytischem Ileus
- Megacolon
- obstruktiven Harnwegserkrankungen, z.B. Prostatahypertrophie mit Restharnbildung
- Myasthenia gravis
- akutem Lungenödem
- Schwangerschaftstoxikose
- spastischer Paralyse
[Ref.]
Die vollständige Auflistung aller Gegenanzeigen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen bei Kindern
Säuglinge und Kleinkinder bis zum zweiten Lebensjahr sind besonders empfindlich, ebenso Patienten mit Down-Syndrom. Besonders vorsichtige Dosierung ist daher in diesen Fällen geboten.
Da die Fähigkeit zur Temperaturregulation durch Hemmung der Schweißsekretion beeinträchtigt sein kann, ist bei fiebernden Patienten und hier besonders bei Kindern Vorsicht geboten.
[Ref.]
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen allgemein
Etwa 10 Minuten nach Anwendung von Atropin beginnt die Weitstellung der Pupille, die nach ungefähr 30 - 40 Minuten ihren Maximalwert erreicht. Dieser Zustand dauert etwa 2 Tage an und kehrt nach 7 - 14 Tagen (in seltenen Ausnahmefällen später) zur Norm zurück.
- Nach Anwendung von Atropin muss für längere Zeit mit Störungen der Akkommodation und wegen der Mydriasis mit verstärkter Blendempfindlichkeit gerechnet werden. Hierbei ist die lange Wirkungszeit von bis zu 14 Tagen zu berücksichtigen.
- Bei Patienten mit frischem Herzinfarkt können unter der Gabe von Atropinsulfat tachykarde Herzrhythmusstörungen bis zum Kammerflimmern auftreten.
- Bei Patienten mit Herzinsuffizienz, Mitralklappenstenose, Hypertonie und Hyperthyreose ist Atropinsulfat vorsichtig zu dosieren, da Tachykardien vermieden werden sollten.
[Ref.]
Die vollständige Auflistung aller Warnhinweise ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Wechselwirkungen
- Cisaprid: bei gleichzeitiger Anwendung kann es zur vollständigen Aufhebung des therapeutischen Effekts von Cisaprid kommen. [Ref.]
- Digoxin: durch die verminderte Darmmotilität kann Digoxin verstärkt resorbiert werden. [Ref.]
- Nitrofurantoin: durch die verminderte Darmmotilität kann Digoxin verstärkt resorbiert werden. [Ref.]
- Phenothiazine: durch die verminderte Darmmotilität kann Digoxin vermindert resorbiert werden. [Ref.]
- Levodopa: durch die verminderte Darmmotilität kann Digoxin vermindert resorbiert werden. [Ref.]
- andere Anticholinergika: der anticholinerge Effekt verstärkt sich. Die gemeinsame Anwendung ist zu vermeiden. [Ref.]
- Aclidiniumbromid
- Cimetropiumbromid
- Glycopyrroniumbromid
- Ipratropiumbromid
- Tiotropiumbromid
- Revefenacin
- andere Anticholinergika: der anticholinerge Effekt verstärkt sich. Die gemeinsame Anwendung ist zu Überwachen und ggf. anzupassen. [Ref.]
- Amantadin
- Antiarrhythmika: Chinidin, Procainamid, Disopyramid
- Metoclopramid
- Antihistaminika
- Tri- und Tetrazyklische Antidepressiva
- Pethidin
- Methylphenidat
- Neuroleptika
- Pilocarpin und Physostigmin: bei gemeinsamer Anwendung mit Atropin kann sich die Wirkung vermindern oder aufheben. [Ref.]
- Eluxadolin: Anticholinergika können den obstipierender Effekt von Eluxadolin verstärken. Die gemeinsame Anwendung ist zu vermeiden. [Ref.]
- Levosulpirid: Anticholinergika können den therapeutischen Effekt von Levosulpirid vermindern. Die gemeinsame Anwendung ist zu vermeiden. [Ref.]
- MAO-Inhibitoren: der hypertensive Effekt von Atropin kann durch MAO-Inhibitoren verstärkt werden. Die gemeinsame Anwendung ist zu vermeiden. [Ref.]
- Kaliumchlorid und Kaliumcitrat: Anticholinergika können den ulzerogenen Effekt dieser beiden Kaliumsalze verstärken. Die gemeinsame Anwendung ist zu vermeiden. [Ref.]
- Pramlintid: kann den anticholinergen Effekt (vor allem innerhalb des Gastrointestinaltrakts) verstärken. [Ref.]
Die vollständige Auflistung aller Wechselwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
MYDRIATIKA UND ZYKLOPLEGIKA
In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.
Sympathomimetika, exkl. Glaukommittel |
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S01FB01
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Referenzen
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Zetterstrom C. , The effect of phenylephrine on the accommodative process in man, Acta Ophthalmol (Copenh), 1984, Dec;62(6), 872-8
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Bausch&Lomb Pharma, SPC Atropine Minims (RVG 09357), www.cbg-meb.nl, aufgerufen 20. Oktober 2010, http://db.cbg-meb.nl/IB-teksten/h09357.pdf
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Ingram RM, et al, Refraction of 1-year-old children after cycloplegia with 1% cyclopentolate: comparison with findings after atropinisation., Br J Ophthalmol., 1979 , May;63(5), 348-52
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Yam JC, et al, Two-Year Clinical Trial of the Low-Concentration Atropine for Myopia Progression (LAMP) Study, Ophthalmolog, 2020, 127, 910-919
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Yam JC, et al, Low-Concentration Atropine for Myopia Progression (LAMP) Study A Randomized, Double-Blinded, Placebo-Controlled Trial of 0.05%, 0.025%, and 0.01% Atropine Eye Drops in Myopia Control, Ophthalmology, 2019, 126, 113-1
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Ursapharm, SmPC Atropin-POS® 0,5 % Augentropfen (6009202.00.00), 02/2020
-
OmniVision GmbH, SmPC Atropin EDO® 5 mg /ml Augentropfen (6253155.00.00), 04/2016
-
Uptodate®, Pediatric Drug information: Atropine ophthalmic Topic 103679 Version 86.0, accessed 11/2019
-
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Derzeit gültige Monografien der Standardzulassung für Humanarzneimittel, Atropinsulfat-Augentropfen, 3
Änderungsverzeichnis
- 03 Dezember 2020 13:23: Aktualisierung
- 09 November 2020 17:11: Aktualisierung
- 14 Oktober 2020 17:16: Die Dosierungsempfehlung für die Anwendung von Atropin bei schwerer Myopie wurde auf Grundlage der LAMP-Studien von Yam et al. angepasst. Diese zeigen, dass eine höhere Konzentration (0,05 %) bessere Ergebnisse liefert.
- 20 Februar 2020 15:35: Neue Monographie
Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)
Überdosierung
Intoxikationen kommen im Allgemeinen nach nicht sachgemäßer Anwendung vor, doch sind Überdosierungssymptome auch nach therapeutischen Gaben bei Überempfindlichkeit gegen Atropin möglich.
Die letale Dosis beträgt beim Erwachsenen etwa 100 mg Atropin, bei Kindern 10 mg Atropin. Todesfälle bei Kindern wurden jedoch schon nach 2 mg Atropin beobachtet.
Symptome: Gesichtsrötung, Mundtrockenheit, Hemmung der Schweißsekretion, Tachykardie, Vaguslähmung, zentralerregende Wirkung, Delirium, dann Erschöpfung und Bewusstlosigkeit
Therapie:
- nach versehentlicher oraler Applikation ggf. Magenspülung und Gabe medizinischer Kohle
- bei Krämpfen kurzwirkende Barbiturate i.v., Phenobarbital, 10 - 20 mg Diazepam i.v. (Kinder initial 1 - 2 mg)
- bei positivem Physostigmintest Gabe von Physostigminsalicylat
- unter Umständen Atemhilfe
- bei Hyperpyrexie Kühlung durch nasse Tücher und Ventilator
[Ref.]
Die vollständige Auflistung aller Warnhinweise ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.