Pharmakodynamik
Pyrazinamid (PZA) ist ein Antibiotikum, das gegen Tuberkulose eingesetzt wird (Tuberkulostatikum). PZA wirkt im sauren pH-Bereich bakterizid, bevorzugt gegen langsam wachsende Tuberkulose-Erreger und zeigt einen ausgeprägten postantibiotischen Effekt. Der genaue Wirkmechanismus ist unbekannt. PZA wird intrazellulär in die Pyrazincarbonsäure überführt, die antimykobakteriell wirksam ist.
Üblicherweise wirksam gegen: M. tuberculosis, M. africanum und M. microti.
Üblicherweise unwirksam gegen: die meisten M. bovis-Stämme und nichttuberkulöse Mykobakterien (z. B. M. kansasii, M. smegmatis, M. avium).
Einzige Kreuzresistenz: Morphazinamid
Die erworbene Resistenz empfindlicher Erreger aus klinischen Isolaten wird in über > 80 % der Fälle durch Mutationen im pncA-Gen oder seiner Promotorregion verursacht. Vereinzelt wurden auch Mutationen im rpsA-Gen nachgewiesen. Bei resistenten Stämmen mit unverändertem pncA- und rpsA-Gen ist der zugrundeliegende Mechanismus der Resistenz bisher unbekannt.
Basierend auf den Meldedaten nach dem Infektionsschutzgesetz gibt das Robert-Koch-Institut für Deutschland Resistenzraten von PZA von 2,9 % zuletzt in Jahr 2011 an. Dies bedeutet, dass die obengenannten Erreger der Tuberkuloseerkrankung üblicherweise empfindlich gegenüber Pyrazinamid sind.
Durch Einmalgabe von 1,5 g PZA/d werden wirksamere Serumspiegel erreicht als nach 3 Dosen 0,5 g PZA/d.
Pharmakokinetik bei Kindern
Die Studie von Antwi et al. (2017) zeigt, dass Tmax und AUC0-8 von Pyrazinamid bei einer Co-Infektion mit HIV signifikant niedriger sind, während die Clearance bei diesen Kindern signifikant höher ist.
Folgende kinetische Parameter wurden ermittelt [Arya et al., Gupta et al., McIlleron et al., Roy et al., Thee et al. und Zhu et al.]:
Cmax (einmalig 30 mg/kg) |
37,7 -43,4 µg/ml |
T½ |
3,5-10,9 Stunden |
Tmax |
0,75-3 Stunden |
Cl |
0,06-0,13 l/kg/h |
Vd |
0,67-0,9 l/kg |
Erwachsene:
Cmax: 33 μg/ml (nach Gabe von 1,5 g PZA) bzw. 65 μg/ml (nach Gabe von 3 g PZA)
T½: 9-10 h (bei normaler Nierenfunktion), ca. 26 h (bei chronischer Niereninsuffizienz)
Tmax: 1-3 h
minimale Hemmkonzentration von PZA: 6,25 μg/ml und 50 μg/ml (bei einem pH-Wert von 5,5)
Zulassung der Dosierungsempfehlungen
- Tuberkulose (in Kombination mit anderen Tuberkulosemitteln)
- oral
- ≥1 Monat bis <3 Monate: off-label
- ≥3 Monate bis <18 Jahre: zugelassen
Auszug aus Fachinformation
Auszug aus Fachinformation
Textauszug aus Fachinformation
Oral zur
- Kombinationstherapie von Tuberkulose, verursacht durch Mycobacterium tuberculosis, Mycobacterium africanum und Mycobacterium microti
- Zusätzlich zu einer antituberkulotisch und resistenzverhindernd wirkenden Kombination, um einem möglichen Rezidiv (Rückfall) vorzubeugen
- Im Rahmen der Standardtherapie der Tuberkulose wird Pyrazinamid zusammen mit anderen antituberkulotisch wirksamen Medikamenten während der Initialphase der Tuberkulosetherapie für insgesamt 8 Wochen verabreicht.
- Zur Verhinderung von Rückfällen oder bei polyresistenter Tuberkulose ist eine Therapie mit Pyrazinamid über drei bzw. über mehrere Monate möglich
Kinder >3 Monate – 12 Jahre (Körpergewicht ≤30 kg):
- 35 (30 – 40) mg/kg KG 1-mal täglich
- Um eine optimale Dosierung in dieser Altersgruppe gewährleisten zu können, kann es nötig sein, eine zusätzliche Filmtablette fachgerecht vom Apotheker zerkleinern und entsprechend der ermittelten Dosis portionieren zu lassen. Für Kinder unter 6 Jahren wird die Einnahme der ermittelten Dosis in von der Apotheke aus Pyrazinamid (Film)tabletten fachgerecht abgeteilter Menge und Form (zerkleinert und in einer geeigneten Einzeldosis abgefüllt) in Flüssigkeit, breiiger oder halbfester Nahrung empfohlen.
- Jede Tuberkulose im Kindesalter sollte in enger Abstimmung mit erfahrenen Fachzentren versorgt werden.
Jugendliche (Körpergewicht >30 kg):
- 25 - 35 (20-40) mg/kg KG 1-mal täglich*
- Die höchste Dosis von 40 mg/kg Körpergewicht ist nur zur Behandlung schwerer Tuberkuloseformen (Meningitis) vorgesehen.
- min. Tagesdosis: 1,5 g
- max. Tagesdosis: 2,5 g
*Da die in den Fachinformationen angegebenen Dosierungsangaben nicht einheitlich sind, wird hier deren Dosisbereich angegeben.
Kinder und Jugendliche, intermittierende Einnahme:
- Die intermittierende Einnahme sollte bei Kindern nur bei vitaler Indikation erfolgen (nur wenn tägliche Gabe nicht realisierbar).
- Die Dosierung beträgt zweimal wöchentlich 50 mg/kg oder dreimal wöchentlich 35 (30 - 40) mg/kg Körpergewicht
[Ref.]
weitere zugelassene Indikationen:
Reservemittel zur Behandlung von Erregerstämmen, die gegen andere Mittel resistent sind
Jugendliche (Körpergewicht >30 kg):
- 35 (30 – 40) mg/kg KG 1-mal täglich
- max. Tagesdosis: 2,0 g
Kinder und Jugendliche, intermittierende Einnahme:
- Die intermittierende Einnahme sollte bei Kindern nur bei vitaler Indikation erfolgen (nur wenn tägliche Gabe nicht realisierbar).
- Die Dosierung beträgt zweimal wöchentlich 50 mg/kg Körpergewicht
[Ref.]
Dosierungsempfehlungen
Tuberkulose (in Kombination mit anderen Tuberkulosemitteln) |
- Oral
-
1 Monat
bis
18 Jahre
und
<
25 kg
[4]
[6]
[7]
[8]
[9]
[10]
[15]
-
30
- 40
mg/kg/Tag
in 1
Dosis. Max: 2 g/Tag.
<3 Monate: off-label
-
1 Monat
bis
18 Jahre
und
≥ 25 kg
[4]
[6]
[7]
[8]
[9]
[10]
[15]
-
25
- 30
mg/kg/Tag
in 1
Dosis. Max: 2 g/Tag.
|
Nierenfunktionsstörungen bei Kindern > 3 Monate
Anpassung bei Nierenfunktionsstörung wie angegeben:
GFR 50-80 ml/min/1.73 m2
Dosisanpassung nicht erforderlich.
GFR 30-50 ml/min/1.73 m2
Dosisanpassung nicht erforderlich.
GFR 10-30 ml/min/1.73 m2
Dosisanpassung nicht erforderlich.
GFR < 10 ml/min/1.73 m2
100 Prozent der Einzeldosis und Dosierungsintervall: 48 Stunden
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei Kindern
Hepatotoxizität und Anstieg der Transaminasewerte, Anstieg der Harnsäurekonzentration, Anorexie, Übelkeit, Erbrechen, Hautanomalien, Arthralgie, Fieber und Anämie.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen allgemein
Folgende UAW wurden sehr häufig, häufig oder gelegentlich beobachtet (≥0,1 %):
- Hyperurikämie
-
Appetitlosigkeit, Übelkeit, Brechreiz, Erbrechen, Sodbrennen, Krämpfe im Unterbauch, Gewichtsabnahme
-
Serumtransaminasen erhöht, Leberfunktionsstörungen
- Photosensibilisierung
Folgende schwerwiegende UAW wurden zudem selten, sehr selten (<0,1 %) oder mit unbekannter Häufigkeit beobachtet:
- Störungen des blutbildenden Systems, sideroblastische Anämie, Thrombozytopenie
-
Schwere Hepatotoxizität
- Erythema multiforme
- Tubulointerstitielle Nephritis
[Ref.]
Die vollständige Auflistung aller unerwünschter Arzneimittelwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Kontraindikationen allgemein
- vorhandene schwere Leberfunktionsstörungen (Child Pugh C), bei akuten Lebererkrankungen (z.B. Hepatitis) sowie bis zu 6 Monate nach überstandener Hepatitis
- Porphyrie
[Ref.]
Die vollständige Auflistung aller Kontraindikationen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen bei Kindern
Vorsicht bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen. Eine regelmäßige klinische Kontrolle der Leberfunktion und des Harnsäurespiegels wird empfohlen.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen allgemein
- Bei herabgesetzter Nierenfunktion (GFR < 30 ml/min) sollte Pyrazinamid 3× wöchentlich angewendet werden. Da es bei der Gabe von Pyrazinamid bei Dialysepatienten zu einer Akkumulation des Wirkstoffs kommen kann, müssen ggf. Blutspiegelkontrollen erfolgen.
- Es kann während der Therapie mit Pyrazinamid zu Schwierigkeiten bei der Insulineinstellung von Diabetikern kommen, da die Serum-Blutzuckerwerte unter PZA sehr instabil sein können.
- Die Hemmung der tubulären Harnsäureausscheidung durch Pyrazinamid kann während der Therapie zu einer Hyperurikämie führen. Diese kann in seltenen Fällen, insbesondere bei entsprechend anfälligen Patienten, zu Arthralgien führen. Deshalb sollte die Harnsäurekonzentration im Blut regelmäßig (alle 3 – 4 Wochen) bestimmt werden. Bei sehr hohen Harnsäurewerten im Blut kann eine Behandlung mit Urikosurika, z. B. Benzbromaron, notwendig werden. Unter Pyrazinamid-Therapie kann eine Photosensibilisierung auftreten. Patienten unter Pyrazinamid-Therapie sollten sich deshalb nicht starker Sonneneinwirkung aussetzen.
- Vor und während der Behandlung sind regelmäßig ca. alle 3 – 4 Wochen Leber- und Nierenfunktionsprüfungen durchzuführen. Kommt es während der Behandlung zu einer Zunahme der Transaminasenwerte >100 U/l oder Bilirubinkonzentration >2fach oberer Normwert sollte die Therapie mit Pyrazinamid unterbrochen bzw. abgebrochen werden.
- Als Folge von Leberparenchymschäden, die unter einer Pyrazinamid-Therapie auftreten können, besteht aufgrund einer verminderten Synthese von Gerinnungsfaktoren die Möglichkeit einer Verlängerung der Blutgerinnungszeit. Patienten sollten angewiesen werden, beim Auftreten möglicher Prodromalzeichen einer hepatotoxischen Wirkung (z. B. Schwächegefühl, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen) unverzüglich den Arzt zu konsultieren.
[Ref.]
Die vollständige Auflistung aller Warnhinweise ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Wechselwirkungen
Interaktionspartner |
Grund |
Handlungsempfehlung |
Zidovudin |
Erniedrigte Plasmakonzentration von Pyrazinamid möglich |
Wirksamkeit und ggf. die Plasmakonzentration von Pyrazinamid kontrollieren |
Cilosporin |
Erniedrigte Plasmakonzentration von Ciclosporin möglich, Risiko für Myopathie erhöht |
Ciclosporin-Konzentration überwachen, ggf. Dosis erhöhen, auf Myopathie achten. |
Die vollständige Auflistung aller Wechselwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen und einschlägigen Wechselwirkungsdatenbanken zu entnehmen.
MITTEL ZUR BEHANDLUNG DER TUBERKULOSE
In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.
Antibiotika |
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J04AB04
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J04AB02
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Andere Mittel zur Behandlung der Tuberkulose |
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J04AK05
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J04AK06
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J04AK02
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Referenzen
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Blumberg HM, et al, American Thoracic Society/Centers for Disease Control and Prevention/Infectious Diseases Society of America: treatment of tuberculosis, Am J Respir Crit Care Med, 2003;, 167, 603-662
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McIlleron H et al. , Plasma concentrations of pyrazinamide in young children with tuberculosis. , Pediatr Infect Dis , 2011, 30, 262e5
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KNCV Tuberculosefonds. , Richtlijn Behandeling Latente Tuberculose Infectie (LTBI). [Leitlinie Behandlung der latenten Tuberkuloseinfektion ], www.nvalt.nl, Juni 2006
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Antwi S et al., Pharmacokinetics of the First-Line Antituberculosis Drugs in Ghanaian Children with Tuberculosis with or without HIV Coinfection, Antimicrob Agents Chemother., 2017, Jan 24;61(2)
-
AWMF, S2k-Leitlinie zur Diagnostik, Prävention und Therapie der Tuberkulose im Kindes- und Jugendalter, https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/048-016l_S2k_Tuberkulose-Kindesr-Jugendliche-Diagnostik-Praevention-Therapie_2018-02.pdf
-
Mibe, SmPC Pyrazinamid 500 mg JENAPHARM® Tabletten (3000321.00.00), 04/2018
-
Riemser, SmPC PYRAFAT® 500 mg, Filmtabletten (7079.00.00), 11/2018
Änderungsverzeichnis
- 25 September 2020 15:38: Indikation der latenten Tuberkuloseinfektion (Chemoprävention) wurde entfernt, da die "S2k-Leitlinie zur Diagnostik, Prävention und Therapie der Tuberkulose im Kindes- und Jugendalter" der AWMF keine Chemoprophylaxe durch Pyrazinamid vorsieht.
- 01 September 2020 17:23: Aktualisierung
Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)
Überdosierung
- Symptome:
- Spezifische Symptome einer Pyrazinamid-Intoxikation sind nicht bekannt.
- Es gibt Berichte über akute Leberschädigungen und Hyperurikämien.
- Zudem können die bekannten Nebenwirkungen in verstärkter Form auftreten.
- Therapie:
- Im Notfall sind alle erforderlichen intensivmedizinischen Maßnahmen einschließlich Magenspülung angezeigt.
- Ein spezifisches Antidot existiert nicht.
- Pyrazinamid und seine Metaboliten sind hämodialysierbar.
[Ref.]