Pharmakodynamik
Leuprorelinacetat ist ein synthetisches Analogon des natürlich vorkommenden hypothalamischen "Releasing-Faktors" GnRH, der die Freisetzung der gonadotropen Hormone LH (luteinisierendes Hormon) und FSH (follikelstimulierendes Hormon) aus dem Hypophysenvorderlappen kontrolliert. Diese Hormone stimulieren ihrerseits die gonadale Steroidsynthese. Im Gegensatz zum physiologischen GnRH, das pulsatil vom Hypothalamus freigesetzt wird, blockiert das auch als GnRH-Agonist bezeichnete Leuprorelinacetat bei therapeutischer Daueranwendung die GnRH-Rezeptoren der Hypophyse kontinuierlich und verursacht nach einer initialen, kurzfristigen Stimulation deren Desensibilisierung ("down regulation"). Als Folge kommt es zu einer reversiblen hypophysären Suppression der Gonadotropin-Freisetzung mit nachfolgendem Abfall der Estradiol (E2)- bzw. Testosteron-Spiegel.
Es lassen sich die folgenden therapeutischen Wirkungen zeigen:
- Suppression der basalen und stimulierten Gonadotropinspiegel auf präpubertäres Niveau.
- Suppression erhöhter Sexualhormonspiegel auf präpubertäres Niveau, prämature Menstruationen werden gestoppt.
- Stopp oder Verminderung der somatischen Pubertätsentwicklung (Tanner-Stadien).
- Angleichung/Normalisierung des Verhältnisses von tatsächlichem Alter zu Knochenalter.
- Prävention einer beschleunigten Zunahme des Knochenalters.
- Abnahme bis zur Normalisierung der pathologisch erhöhten Wachstums-Geschwindigkeit.
- Zunahme der finalen Körpergröße.
Pharmakokinetik bei Kindern
Bei Kindern ist nach vier Wochen der Leuprorelin-Plasmaspiegel (1,22 ng/ml) höher als bei Erwachsenen, die mit derselben Dosierung behandelt worden sind. Bezüglich der pharmakokinetischen Eigenschaften bei Kindern sind keine anderen Daten bekannt.
Zulassung der Dosierungsempfehlungen
- Idiopathische zentrale Pubertas praecox MÄDCHEN
- Idiopathische zentrale Pubertas praecox JUNGEN
Auszug aus Fachinformation
Auszug aus Fachinformation
Textauszug aus Fachinformation
Subkutan bei Pubertas praecox vera
Die Indikationsstellung zur Behandlung und die längerfristigen Therapiekontrollen sollten bei Kindern vorzugsweise in endokrinologisch-pädiatrischen Zentren erfolgen.
Das Dosierschema wird individuell angepasst. Die empfohlene Anfangsdosis ist abhängig vom Körpergewicht.
Je nach Therapieansprechen kann bei nicht ausreichender Suppression eine Dosiserhöhung notwendig werden. Die minimal wirksame, monatlich zu applizierende Dosis ist dann mittels GnRH-Test zu ermitteln.
Mädchen <9 Jahren / Jungen <10 Jahren und <20 kg:
- Anfangsdosis: einmal monatlich 1,88 mg Leuprorelinacetat
oder
- Anfangsdosis: alle 3 Monate 5,625 mg Leuprorelinacetat
Mädchen <9 Jahren / Jungen <10 Jahren und ≥20 kg:
- Anfangsdosis: einmal monatlich 3,75 mg Leuprorelinacetat
oder
- Anfangsdosis: alle 3 Monate 11,25 mg Leuprorelinacetat
[Ref.]
Präparate im Handel
Allgemein
Im Handel befinden sich Implantate und Suspensionen für die subkutane Applikation. Für die pädiatrische Anwendung sind nur die folgenden Suspensionslösungen zugelassen.
Die im Handel befindlichen Präparate enthalten Leuprorelin in Form von Leuprorelinacetat. Die Angabe der Wirkstoffkonzentration ist jeweils auf Leuprorelinacetat bezogen.
Subkutane Anwendung
Präparate im Handel:
Anwendungshinweise:
- Bei Auftreten einer Verfärbung der Retardmikrokapseln und/oder Trübung des klaren Suspensionsmittels vor der Suspendierung darf die Zweikammerspritze nicht mehr verwendet werden. Nach der Zubereitung entsteht eine milchig-trübe Suspension.
- Aus mikrobiologischer Sicht sollte die gebrauchsfertige Zubereitung sofort verwendet werden.
- Vor der Injektion ist die Suspension erneut aufzuschütteln.
- Nicht über 25 °C lagern.
- Die Herstellungshinweise müssen in den jeweiligen Fachinformationen nachgelesen und genau befolgt weden um eine verminderte Wirksamkeit durch Anwendungsfehler zu vermeiden.
- Leuprorelinhaltige Depotarzneimittel dürfen nur von medizinischem Fachpersonal zubereitet oder verabreicht werden, das mit der sachgemäßen Handhabung vertraut ist.
Lieferengpässe/weitere praktische Informationen
Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe)
Dosierungsempfehlungen
Idiopathische zentrale Pubertas praecox MÄDCHEN |
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Idiopathische zentrale Pubertas praecox JUNGEN |
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Nierenfunktionsstörungen bei Kindern > 3 Monate
GFR ≥10 ml/min/1.73m2: Dosisanpassung nicht erforderlich.
GFR <10 ml/min/1.73m2: Eine allgemeine Empfehlung zur Dosisanpassung kann nicht gegeben werden.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei Kindern
Häufig (1-10%): (vaginale) Infektionen, abnormale Gewichtszunahme, verzögertes Wachstum, Stimmungsschwankungen, Depression, emotionale Labilität, Kopfschmerzen, Vasodilatation, Erbrechen, Bauchschmerzen, Bauchkrämpfe, (pustulöser) Hautausschlag, Akne, abnormaler Körpergeruch, Erythema multiforme, Dehnungsstreifen, Gynäkomastie, Veränderung der Brüste, vaginale Blutungen, Schmierblutung, Genitalausfluss, Vaginitis, Reaktion an der Injektionsstelle
Gelegentlich (0,1-1%): Rhinitis, Influenza, Pharyngitis, Sinusitis, Zervix-Neoplasma, Überempfindlichkeit, Vergrößerung der Schilddrüse, vorzeitige Pubertät, erhöhter Appetit, Nervosität, Schläfrigkeit, Synkope, Hyperkinesie, Bradykardie, Bluthochdruck, periphere Gefäßkrankheit, Nasenbluten, Asthma, Verstopfung, Schluckbeschwerden, Zahnfleischentzündung, Dyspepsie, Haarausfall, Hauterkrankungen, Hirsutismus, Nagelerkrankungen, Hauthypertrophie, Purpura, Leukodermie, Myalgie, Myopathie, Gelenkerkrankungen, Arthralgie, Harninkontinenz, Brustvergrößerung, schmerzhafte Brüste, Dysmenorrhoe, Menstruationsstörungen, Zervixanomalie, Feminisierung, peripheres Ödem, Fieber, Anwesenheit von antinukleären Antikörpern, erhöhte Sedimentationsrate der roten Blutkörperchen, Hitzewallungen
Selten (< 0,01%): Anaphylaktische Reaktionen, allgemeine allergische Reaktionen, Krampfanfälle, Apoplexie der Hypophyse
[Ref.]
Kontraindikationen bei Kindern
- Kinder mit einer Krankheit oder Behandlung, die das Wachstum und/oder die Aktivität der hypophysär-gonadalen Achse beeinflussen können.
- Eine Knochenreife von mehr als 12 Jahren bei Mädchen oder 13 Jahren bei Jungen.
- Intraarterielle Injektion
- Mädchen:
- Vaginalblutungen unbekannter Ursache
[Ref.]
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen bei Kindern
- Eine signifikante Zunahme der Körpergröße bei zentraler Pubertas praecox ist nur bei Diagnose/Behandlungsbeginn <6 Jahren (Mädchen) und (unbehandelt) progressivem Verlauf zu erwarten. Die Behandlung sollte bei allen Jungen <9 Jahren mit progressiver zentraler Pubertas praecox, die das Risiko eines beeinträchtigten Größenwachstums aufweisen, in Erwägung gezogen werden [Bereket 2017, Carel et al. 2009].
- Zu Behandlungsbeginn muss das chronologische Alter bei Mädchen unter 9 und bei Jungen unter 10 Jahren liegen.
- Pseudopubertas praecox (gonadaler oder adrenaler Tumor oder Hyperplasie) und Gonadotropin-unabhängige Pubertas praecox (Testistoxikose, familiäre Leydig-Zellhyperplasie) müssen ausgeschlossen werden.
- Die Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit, Knochendichte im Erwachsenenalter und Langzeitsicherheit sind noch nicht bekannt. Während einer Therapie der Pubertas praecox mit GnRH-Analoga kann es zu einer Abnahme der Knochendichte kommen. Nach Beendigung der Behandlung findet in aller Regel wieder eine Remineralisierung statt, so dass die Knochenmasse im späten Jugendalter nicht durch die Behandlung beeinträchtigt zu sein scheint.
- Während der frühen Phase der Behandlung kann eine Zunahme der Beschwerden und Symptome durch einen temporären Anstieg der Geschlechtshormone auftreten.
- Inadäquate Dosierung kann zu unzureichender Kontrolle des Pubertätsverlaufs führen.
- Bei Patienten mit progredientem Gehirntumor sollte vor Beginn der Behandlung eine sorgfältige Nutzen-/Risikobewertung durchgeführt werden.
- Beim Auftreten von sterilen Abszessen an der Injektionsstelle (häufig berichtet bei intramuskulärer Injektion einer nicht bestimmungsgemäßen hohen Dosis) kann die Resorption von Leuprorelinacetat reduziert sein. In diesem Fall sollten die hormonellen Parameter (Testosteron, Estradiol) im Abstand von 2 Wochen überwacht werden.
- Nach der ersten Injektion kann es bei Mädchen zu Hormonentzugserscheinungen in Form von Vaginalblutungen, Schmierblutungen und Ausfluss kommen. Die Ursache für Vaginalblutungen, die über die ersten beiden Behandlungsmonate andauern, muss abgeklärt werden.
- Nach Beendigung der Behandlung kann es zu einer Epiphysiolyse des Femurkopfes kommen. [SmPC Enantone, Trenantone]
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen allgemein
Beachte: Rote Handbrief vom 30. Juli 2020 (Notwendigkeit der genauen Einhaltung der Anweisungen bezüglich Zubereitung und Verabreichung zur Verringerung des Risikos von Anwendungsfehlern): Anwendungsfehler bei leuprorelinhaltigen Depotarzneimitteln können möglicherweise zu einer verminderten Wirksamkeit führen. Leuprorelinhaltige Depotarzneimittel dürfen nur von medizinischem Fachpersonal zubereitet oder verabreicht werden, wenn dieses mit der sachgemäßen Handhabung vertraut ist.
Für allgemeingültige Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen informieren Sie sich bitte in den aktuellen Fachinformationen.
Wechselwirkungen
Interaktionspartner
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Grund
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Handlungsempfehlung
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Arzneistoffe die zu einer QT-Zeitverlängerung führen können (u.a. Antiarrhythmika, Neuroleptika, Methadon, Mizolastin, Terfenadin, Moxifloxacin)
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Erhöhtes Risiko von ventrikulären Tachykardien (Torsade de pointes)
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Elektrolytstörungen und Bradykardien sollen vor der Anwendung korrigiert werden. Der Elektrolytstatus ist ebenfalls zu überwachen. Bei einer Verlängerung der frequenzkorrigierten QTc-Zeit von mehr als 60 ms bzw. auf über etwa 460-500 ms sollen die Risiko-Arzneimittel abgesetzt werden.
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Die vollständige Auflistung aller Wechselwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen und einschlägigen Wechselwirkungsdatenbanken zu entnehmen.
HORMONE UND VERWANDTE MITTEL
In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.
Gonadotropin-Releasing-Hormon-Analoga |
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Triptorelin
Decapeptyl®, Pamorelin®, Salvacyl®, Triptofem; weiterer ATC-Code: H01CA07
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L02AE04
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Referenzen
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Abbot BV, SPC Lucrin (RVG 14351), www.cbg-meb.nl, accessed 21 Dec 2011, http://db.cbg-meb.nl/IB-teksten/h14351.pdf
-
Noordam C et al. . , Werkboek Kinderendocrinologie [Arbeitsbuch Kinderendokrinologie], digitale Veröffentlichung auf www.nvk.nl (nur für Mitglieder), 2010
-
Kim YJ et al, Multicenter clinical trial of leuprolide acetate depot (Luphere deport 3,75 mg) for efficacy and safety in girls with central precocious puberty., Ann Pediatr Endocrinol Metab, 2013, 18(4), 173-8
-
AbbVie BV, SmPC Lucrin PDS depot 1 month (RVG 30198) 15-05-2018
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Takeda GmbH, SmPC, Enantone® Monats-Depot 3,75 mg Retardmikrokapseln und Suspensionsmittel (34204.00.00), 08/2018
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Takeda GmbH, SmPC, Trenantone® 11,25 mg Retardmikrokapseln und Suspensionsmittel (34771.00.00), 08/2018
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Takeda GmbH, SmPC, Klebrocid® 3-Monats-Depot 11,25 mg Retardmikrokapseln und Suspensionsmittel (39239.00.00), 08/2018
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Deutsche Gesellschaft für Kinderendokrinologie und -diabetologie (DGKED), Langfassung der Leitlinie "Pubertas praecox", AWMF, 16.04.2019
Änderungsverzeichnis
- 07 Dezember 2020 13:41: Rote-Hand-Brief zu leuprorelinhaltigen Depotarzneimitteln: Notwendigkeit der genauen Einhaltung der Anweisungen bezüglich Zubereitung und Verabreichung zur Verringerung des Risikos von Anwendungsfehlern.
- 20 August 2020 12:29: Rote-Hand-Brief Leuprorelinhaltige Depotarzneimittel (30.07.2020): Notwendigkeit der genauen Einhaltung der Anweisungen zur Zubereitung bzw. Verabreichung zur Verringerung des Risikos von Anwendungsfehlern, die zu einer verminderten Wirksamkeit führen können
Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)
Überdosierung