Thiamazol

Wirkstoff
Thiamazol
Handelsname
Methizol®, Thyrozol®
ATC-Code
H03BB02

Zulassung
Dosierungsempfehlungen

Präparate
Pharmakodynamik und -kinetik
Nierenfunktionsstörungen
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Kontraindikationen
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Wechselwirkungen
Wirkstoffe der gleichen ATC-Klasse
Referenzen
Änderungsverzeichnis

Pharmakodynamik

Thiamazol ist ein Thyreostatikum und schwefelhaltiges Imidazol-Derivat. Es ist ein Iodisationshemmer, d.h. es hemmt die organische Bindung von Iod und damit die Synthese von Schilddrüsenhormonen. Es wirkt direkt auf die Schilddrüsenperoxidase, die für die Iodisation verantwortlich ist.

Nicht beeinflusst wird die Freisetzung der bereits synthetisierten Schilddrüsenhormone. Hierdurch erklärt sich eine im Einzelfall unterschiedlich lange Latenzperiode bis zur Normalisierung der Serumkonzentration von Thyroxin und Triiodthyronin und damit bis zur klinischen Besserung. Nicht beeinflusst wird auch die Hyperthyreose infolge Hormonfreisetzung nach Destruktion von Schilddrüsenzellen, z. B. nach einer Radioiodtherapie oder bei Thyreoiditis.

Pharmakokinetik bei Kindern

Alter Dosis Cmax Tmax [h] Vd, scheinbar [L/kg] T1/2 [h] Referenz
2 - 15 Jahre (n=9) 20 mg/m2 9,2 (4,4 - 12,6) µmol/L* 1,0 (0,5 - 4,0)* 0,602 (0,516 - 0.913)* 4,75 (2,73 - 6,04)* Okuno et al. 1987
PAR 2011
Erwachsene 9 mg 150 ng/mL 0,4 - 1,2 - 3 SmPC Methizol

*Median (Range)

Die thyreostatische Wirkung von Thiamazol hält etwa 24 Stunden an. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Substanz aktiv in die Schilddrüse aufgenommen wird und die Hemmung der Hormonproduktion offenbar eher mit der intratyroidalen als mit der Serumkonzentration korreliert. [SmPC Thiamazol Henning®]

Zulassung der Dosierungsempfehlungen

  • Hyperthyreose
    • oral
      • Früh- und Neugeborene: off-label 
      • ≥1 Monat bis <3 Jahre: off-label
      • ≥3 Jahre bis <18 Jahre: zugelassen

Auszug aus Fachinformation Auszug aus Fachinformation

Textauszug aus Fachinformation

Oral zur Behandlung der Hyperthyreose einschließlich:
Konservativer Behandlung der Hyperthyreose, insbesondere bei kleiner oder fehlender Struma,
Operationsvorbereitung bei allen Formen der Hyperthyreose,
Vorbereitung zu einer geplanten Radioiodtherapie, besonders bei Patienten mit schweren Hyperthyreoseformen,
Intervalltherapie nach einer Radioiodbehandlung,
Prophylaktischer Behandlung bei latenter Hyperthyreose, autonomen Adenomen und anamnestisch bekannter Hyperthyreose, wenn eine Iodexposition (z. B. eine Untersuchung mit iodhaltigen Röntgenkontrastmitteln) unumgänglich ist.

Kinder 2 Jahre und jünger:
Sicherheit und Wirksamkeit von Thiamazol bei Kindern im Alter von 2 Jahren und jünger sind nicht geprüft. Die Anwendung von Thiamazol bei Kindern im Alter von 2 Jahren und jünger wird deshalb nicht empfohlen.

Kinder und Jugendliche von 3 bis 17 Jahren:
Die Anfangsdosis zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen über 3 Jahre sollte an das Körpergewicht des Patienten angepasst werden. Üblicherweise wird die Behandlung mit einer Dosis von 0,5 mg/kg begonnen, aufgeteilt auf 2 oder 3 gleiche Einzelgaben. Für die weitere Behandlung kann die Erhaltungsdosis abhängig vom Ansprechen des Patienten auf die Therapie reduziert und einmal täglich verabreicht werden. Um eine Hypothyreose zu vermeiden, kann eine zusätzliche Behandlung mit Levothyroxin erforderlich sein. Die gesamte Tagesdosis sollte 40 mg Thiamazol nicht überschreiten.

[Ref.]

Präparate im Handel

Tabletten 5 mg, 10 mg, 20 mg
Filmtabletten 5 mg, 10 mg, 20 mg

Präparate im Handel (ausgewählte Beispiele):

Präparat Darreichungsform Stärke (Thiamazol) Applikationsweg Natriumgehalt Problematische Hilfsstoffe Anwendungshinweis Altersangabe
Thyrozol® Filmtabletten 5 mgT2, 10 mgT2, 20 mgT2 oral Lactose  Einnahme unzerkaut mit ausreichend Flüssigkeit. Bei der Initialtherapie die Einzeldosen in regelmäßigen Abstän-
den über den Tag verteilt einnehmen.
Einahme der Erhaltungsdosis morgens während oder nach dem Frühstück auf einmal.
ab 3 Jahren
Thiamazol Henning® Filmtabletten 5 mgT2, 20 mgT2 oral - Lactose ab 3 Jahren
Methizol® SD 5 mg/- 20 mg Tabletten 5 mgT2, 20 mgT2 oral Lactose ab 3 Jahren
Thiamazol Hexal® Tabletten 5 mgT2, 10 mgT2, 20 mgT2 oral - ab 3 Jahren

T2: teilbar in zwei gleiche Dosen

Die Fachinformationen wurden am 02.09.2025 aufgerufen.

Neben den aufgeführten Präparaten befinden sich diverse weitere Fertigarzneimittel im Handel.

Lieferengpässe/weitere praktische Informationen

Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe)

Dosierungsempfehlungen

Hyperthyreose
  • Oral
    • Früh- und Neugeborene
      [4] [11] [15]
      • 0,5 mg/kg/Tag in 2 - 3 Dosen.
      • Dosistitration je nach Wirkung.

        off-label

    • 1 Monat bis 18 Jahre
      [1] [5] [9] [10] [14]
      • 0,5 mg/kg/Tag in 2 - 3 Dosen. Max: 40 mg/Tag.
      • Dosistitration je nach Wirkung.

        <3 Jahre: off-label

Nierenfunktionsstörungen bei Kindern > 3 Monate

GFR ≥10 ml/min/1.73m2: Dosisanpassung nicht erforderlich.

GFR <10 ml/min/1.73m2: Eine allgemeine Empfehlung zur Dosisanpassung kann nicht gegeben werden.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei Kindern

Nebenwirkungen treten vor allem in den ersten drei Therapiemonaten auf, wobei jüngere Kinder häufiger betroffen sind. [Mooij et al. 2022]

Bei Kindern wurden Pruritus, Arthralgie, Muskelschmerzen und/oder Gelenkschmerzen, Lymphopenie, Eosinophilie, Neutropenie und  leichte Leberschädigung beobachtet. [Rivkees et al. 2010]
Sehr selten wurde von einer Agranulozytose bei pädiatrischen Patienten berichtet. [Mooij et al. 2022]

Sehr selten wurden schwere Hautüberempfindlichkeitsreaktionen, wie generalisierte Dermatitis einschließlich Stevens-Johnson-Syndrom, bei Kindern und Jugendlichen beobachtet. [SmPC Thyrozol]

Die Nebenwirkungen sind dosisabhängig. [Lee et al. 2021]

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen allgemein

Sehr häufig (>10 %): Allergische Hauterscheinungen (Pruritus, Exanthem, Urtikaria) wechselnder Ausprägung, die meist einen leichten Verlauf haben und oft auch unter fortgeführter Therapie rückbildungsfähig sind.

Häufig (1-10 %): Arthralgien und Myalgien können sich schleichend entwickeln und noch nach mehrmonatiger Therapiedauer auftreten

Gelegentlich (0,1-1 %): Agranulozytose (0,3 bis 0,6 % der Fälle; Können sich auch noch Wochen bis Monate nach Therapiebeginn manifestieren und zwingen zum Absetzen des Arzneimittels. Meist sind sie spontan rückbildungsfähig); Ödeme.

Selten (0,01-0,1 %): Geschmacksstörungen (Dysgeusie, Ageusie) bzw. Geruchsstörungen, die nach dem Absetzen rückbildungsfähig sind, wobei die Normalisierung mehrere Wochen dauern kann.

Sehr selten (<0,01 %): Thrombozytopenie, Panzytopenie, generalisierte Lymphadenopathie, Insulin-Autoimmunsyndrom (mit starkem Abfall des Blutzuckerwertes), Neuritiden, Polyneuropathien, Vaskulitiden, akute Speicheldrüsenschwellung, cholestatischer Ikterus oder toxische Hepatitis. Die Symptome bilden sich im Allgemeinen nach Absetzen des Arzneimittels zurück. Klinisch inapparente Cholestasezeichen unter der Behandlung sind abzugrenzen von Störungen, die durch die Hyperthyreose verursacht werden, wie z. B. ein Anstieg der GGT (Gammaglutamyltransferase) und der alkalischen Phosphatase bzw. ihres Knochen-Isoenzyms im Serum; schwere Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut einschließlich generalisierter Dermatitis und Stevens-Johnson-Syndrom, Haarausfall, ein medikamentös induzierter Lupus erythematodes; Arthritis, Nephritis, Arzneimittelfieber.

Häufigkeit nicht bekannt: akute Pankreatitis, Myopathie

Die vollständige Auflistung aller unerwünschter Arzneimittelwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Kontraindikationen allgemein

  • Überempfindlichkeit gegen andere Thioamidderivate (z.B. Carbimazol)
  • mäßige bis schwere Blutbildveränderungen (Granulozytopenie)
  • vorbestehende Cholestase, die nicht durch die Hyperthyreose verursacht wurde
  • akute Pankreatitis in der Vorgeschichte nach Verabreichung von Thiamazol oder seinem Prodrug Carbimazol
  • frühere Knochenmarkschädigung nach einer Behandlung mit Thiamazol oder Carbimazol
  • in Schwangerschaft: Kombinationsbehandlung Thiamazol und Schilddrüsenhormone

Die vollständige Auflistung aller Kontraindikationen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen bei Kindern

Bei mäßigem Pruritus/Exanthem können Antihistaminika verabreicht werden. Bei schweren allergischen Reaktionen ist eine Dosisreduktion oder ein Abbruch der Therapie erforderlich. Ein Wechsel zu Propylthiouracil wird nicht empfohlen. [Mooij et al. 2022]

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen allgemein

Beachte: Rote-Hand-Brief vom 06.02.2019 (Risiko einer akuten Pankreatitis und Verstärkung der Empfehlung zur Kontrazeption): Erneute Therapie mit Carbimazol oder Thiamazol bei Patienten, die in der Vergangenheit bereits eine akute Pankreatitis während der Behandlung erlitten haben, ist kontraindiziert. Zusätzlich stehen Carbimazol und Thiamazol im Verdacht, angeborene Fehlbildungen zu verursachen, wenn sie während der Schwangerschaft und insbesondere im ersten Trimester der Schwangerschaft und in hoher Dosierung verabreicht wurden. Es wird empfohlen, dass Frauen im gebärfähigen Alter während der Behandlung mit Carbimazol oder Thiamazol wirksame Methoden der Kontrazeption anwenden.

Für allgemeingültige Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen informieren Sie sich bitte in den aktuellen Fachinformationen.

Wechselwirkungen

Interaktionspartner Grund Handlungsempfehlung
Clozapin  
Eine erhöhte Inzidenz und Schwere von Granulozytopenien und Agranulozytosen ist möglich.
Kombination vermeiden. Falls eine Kombination dennoch erforderlich ist, engmaschige Kontrolle des Blutbilds.
Theophyllin Der Schilddrüsen-Status kann den Metabolismus von Theophyllin beeinflussen. Bei Schilddrüsenüberfunktion findet ein gesteigerter Theophyllin-Metabolismus statt, während er bei der Schilddrüsenunterfunktion vermindert ist. Überwachen Sie die Konzentration und Wirkung von Theophyllin und passen Sie die Dosis gegebenenfalls an.
Vitamin-K-Antagonisten Bei Patienten, die mit Vitamin-K-Antagonisten eingestellt sind, kann der Beginn einer Behandlung mit Thyreostatika die blutgerinnungshemmende Wirkung im Verlauf einiger Tage abschwächen; thromboembolische Komplikationen können auftreten. Keine Interaktion ist dagegen zu erwarten, wenn Patienten, die mit Thyreostatika euthyreot eingestellt sind, zusätzlich Vitamin-K-Antagonisten erhalten. Unter Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten müssen bei jeder Änderung des Schilddrüsenhormon-Status durch Schilddrüsenhormone oder Thyreostatika oder durch veränderte Dosierungen dieser Arzneimittel die Blutgerinnungsparameter besonders engmaschig überwacht werden und die Dosen des Vitamin-K-Antagonisten nach Bedarf angepasst werden. Bei Patienten dagegen, die euthyreot eingestellt sind, sind bei Beginn einer Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten keine Maßnahmen nötig.


Die vollständige Auflistung aller Wechselwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen und einschlägigen Wechselwirkungsdatenbanken zu entnehmen.

THYREOSTATIKA

In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.

Schwefel-haltige Imidazol-Derivate
H03BB01
THYREOSTATIKA
H03BB01

Referenzen

  1. Aspen Pharma Trading Limited, SmPC Strumazol (RVG 02224) 02-01-2023
  2. Minamitani, K, et al, Guidelines for the treatment of childhood-onset Graves’ disease in Japan, 2016, Clin Pediatr Endocrinol, 2017, 26(2), 29-62
  3. Kahaly, GJ, et al, European Thyroid Association Guideline for the Management of Graves’ Hyperthyroidism, Eur Thyroid J, 2018, 7, 167–186
  4. Fine S, et al., Neonatal Graves disease with persistent hypoglycemia: A case report. , SAGE Open Med Case Rep, 2024, 12, 2050313X241237433
  5. Taha D, et al., Familial neonatal nonautoimmune hyperthyroidism due to a gain-of-function (D619G) thyrotropin-receptor mutation, J Pediatr Endocr Met, 2021, 34(2), 267-71
  6. Mooij CF, et al., European Thyroid Association Guideline for the management of pediatric Graves' disease., Eur Thyroid J, 2022, 11(1), e210073
  7. mibe GmbH Arzneimittel., SmPC Methizol SD 5 mg/- 20 mg (3000158.00.00/49499.00.00), 01/2019
  8. Rivkees SA, et al., Adverse events associated with methimazole therapy of graves' disease in children, Int J Pediatr Endocrinol. , 2010, 176970
  9. Segni M, et al., Special features of Graves' disease in early childhood, Thyroid, 1999, 9(9), 871-7
  10. Yasuda K, et al., Relationship between dose of antithyroid drugs and adverse events in pediatric patients with Graves' disease., Clin Pediatr Endocri., 2017, 26(1), 1-7
  11. Kayas L, et al., TSHRV656F Activating Variant of the Thyroid Stimulating Hormone Receptor Gene in Neonatal Onset Hyperthyroidism: A Case Review., J Clin Res Pediatr Endocrinol, 2022, 14(1), 114-8
  12. Okuno A, et al., Pharmacokinetics of methimazole in children and adolescents with Graves' disease. Studies on plasma and intrathyroidal concentrations., Acta Endocrinol (Copenh), 1987, 115(1), 112-8
  13. Lee HG, et al., Efficacy and adverse events related to the initial dose of methimazole in children and adolescents with Graves' disease., Ann Pediatr Endocrinol Metab., 2021, 26(3), 199-204
  14. Merck Healthcare Germany GmbH., SmPC Thyrozol® 5/10/20 mg Filmtabletten (13478.00-02), 02/2022
  15. Zhu L, et al., The tortuous diagnosis of one case of neonatal hyperthyroidism., BMC Pediatr., 2024, 24(1), 43
  16. Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, SmPC Thiamazol Henning® (5mg, 20mg Filmtabletten und 40mg inject Injektionslösung (2022.00.01), 02/2025
  17. Merck Serono, SmPC Thyrozol® 5/10/20 mg Filmtabletten (13478.00.00), 02/2019
  18. Hexal AG, SmPC Thiamazol HEXAL® 5 mg, 10 mg, 20 mg Tabletten (48922.00.00), 02/2019

Änderungsverzeichnis

Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)


Überdosierung