Midazolam gehört zur Imidazobenzodiazepin-Gruppe. Die freie Base ist eine lipophile Substanz mit geringer Wasserlöslichkeit. Die pharmakologische Wirkung von Midazolam ist aufgrund des raschen Stoffwechselabbaus durch eine kurze Dauer gekennzeichnet. Midazolam verfügt über eine sedierende und Schlaf induzierende Wirkung von hoher Intensität. Ferner hat es einen angst- und krampflösenden sowie muskelrelaxierenden Effekt.
Oral: Wirkung setzt nach 30 - 45 min ein.
Rektal: Wirkung setzt nach 10 - 20 min ein.
Intravenös: Wirkung setzt nach 3 min ein.
Wirkungsdauer nach 1 Einzeldosis: 1 - 2 h.
Es wurden folgende kinetische Parameter nach oromukosaler Verabreichung ermittelt: [Ref.]
Dosis (mg) | 2,5 | 5 | 7,5 | 10 |
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Alter | 3 - 11 Monate | 1 - 4 Jahre | 5 - 9 Jahre | 10 - 18 Jahre |
Cmax (ng/ml) | 104 | 148 | 140 | 87 |
Cl: 30 ml/kg/min
T½: 204 min
Nach intravenöser oder rektaler Verabreichung beträgt T½ bei gesunden Kindern zwischen 3 - 10 Jahren 1 - 1,5 Stunden. Bei Neugeborenen liegt diese bei 6 - 12 Stunden. [Ref.] Bei schwer kranken Kindern (1 - 17 Jahre) wurden folgende kinetische Parameter bei intravenös verabreichtem Midazolam ermittelt [de Wildt 2003]:
Cl: 5,0 ± 3,9 ml/kg/min
T½: 5,5 ± 3,5 h
Vd: 1,7 ± 1,1 l/kg
Nach nasaler Verabreichung wurden folgende Parameter bei Kindern zwischen 1,75 - 4 Jahren ermittelt (n=6) [Rey 1991]:
Cl/F: 1,44 l/kg/Stunde
T½: 2,22 h
Tmax: 0,19 h
Cmax: 104 µg/l
Filmtabletten 7,5 mg
Lösungen zum Einnehmen 2 mg/ml
Lösung zur Anwendung in der Mundhöhle 2,5 mg, 5 mg, 7,5 mg, 10 mg
Lösungen zur intravenösen oder rektalen Anwendung 1 mg/ml, 2 mg/ml, 5 mg/ml
Midazolam liegt entweder als Midazolamhydrochlorid [Ref.] oder als Midazolamhydrogenmaleat [Ref.] vor. Die Dosisangabe bezieht sich stets auf den Reinstoff.
Midazolam unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG Anlage III (zu § 1 Abs. 1)), ausgenommen in Zubereitungen, die ohne einen weiteren Stoff der Anlagen I bis III bis zu 0,2 vom Hundert oder je abgeteilte Form bis zu 15 mg Midazolam enthalten.
Orale/bukkale Anwendung
Filmtabletten
Präparate im Handel (Beispiele)
Präparat | Stärke | Problematischer Hilfsstoff |
Dormicum Filmtabletten | 7,5 mgT2 | Lactose |
T2 = dosisgleich teilbar
Lösungen zum Einnehmen/zur Anwendung in der Mundhöhle
Präparate im Handel (ausgewählte Beispiele)
Präparat | Darreichungsform | Stärke | Problematischer Hilfsstoff | Aroma |
Buccolam | Lösung zur Anwendung in der Mundhöhle | 2,5 mg/0,5 ml 5 mg/1 ml 7,5 mg/1,5 ml 10 mg/2 ml |
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Midazolam-ratiopharm | Lösung zum Einnehmen | 2 mg/ml | Natriumbenzoat (1 mg/ml) Propylenglykol (7,36 mg/ml) |
Himbeere |
Anwendungshinweise:
Zu Buccolam® Lösung zur Anwendung in der Mundhöhle erschien im Januar 2018 ein Rote-Hand-Brief, der auf das Aspirationsrisiko der Verschlusskappe von vorgefüllten Applikationsspritzen hinweist. Beim Abziehen der ersten Verschlusskappe kann die zweite Kappe vereinzelt an der Spritzenspitze haften bleiben, weshalb sie bei der Anwendung versehentlich in den Mund des Patienten gelangen kann. Bleibt sie haften, ist sie manuell abzuziehen. [Ref.]
Anwendung von Midazolam -Lösung zur Anwendung in der Mundhöhle:
Die gesamte Menge der Lösung sollte langsam in den Zwischenraum zwischen Zahnfleisch und Wange eingebracht werden. Zur Verhinderung einer versehentlichen Aspiration der Lösung ist eine laryngotracheale Applikation zu vermeiden. Falls erforderlich (bei größeren Volumina und/oder kleineren Patienten), sollte etwa die Hälfte der Dosis langsam in die eine Seite der Mundhöhle und die andere Hälfte anschließend in die andere Seite eingebracht werden. [Ref.]
Intravenöse/rektale Anwendung
Injektions-/Infusionslösung oder Rektallösung
Präparate im Handel (ausgewählte Beispiele)
Präparat | Stärke | Osmolarität | Natriumgehalt | pH-Wert |
Dormicum | 5 mg/ml 15 mg/3 ml 50 mg/10 ml |
Keine Angabe | <1 mmol (23 mg) / Ampulle | Keine Angabe |
Dormicum V | 5 mg/5 ml | Keine Angabe | <1 mmol (23 mg) / Ampulle | Keine Angabe |
Midazolam B. Braun | 1 mg/ml 5 mg/ml |
Keine Angabe | 3,5 mg/ml 2,2 mg/ml |
2,9 – 3,7 |
Midazolam-hameln | 1 mg/ml 2 mg/ml 5 mg/ml |
275 – 305 mOsmol/kg | 3,47 mg/ml 3,38 mg/ml 3,16 mg/ml |
2,9 – 3,7 |
Anwendungshinweise:
Midazolam ist mit folgenden Infusionslösungen kompatibel:
Diese Lösungen bleiben über 24 Stunden bei Raumtemperatur bzw. über 3 Tage bei 5 °C stabil. [Ref.]
Midazolam ist mit folgenden Infusionslösungen inkompatibel:
Die intramuskuläre Anwendung ist nur in Ausnahmefällen zu wählen. Der rektalen Anwendung ist der Vorzug zu geben, da die intramuskuläre Verabreichung schmerzhaft für die Patienten ist. Bei Kindern mit einem Körpergewicht unter 15 kg sollte die Konzentration der Midazolamlösung 1 mg/ml nicht überschreiten. Höhere Konzentrationen sind auf 1 mg/ml zu verdünnen. [Ref.]
Intranasale Anwendung
Es befinden sich derzeit keine Midazolam-haltigen Fertigarzneimittel zur intranasalen Anwendung in Deutschland im Handel. Es gibt Rezepturhinweise für die Herstellung konservierter Midazolam-Nasenspray Lösungen für die nasale Applikation mittels Zerstäuber-Spritze (z.B. LMA MAD Nasal™). [Ref.]
Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe)
Gehe zu:
Status epilepticus |
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Prozedurale Sedierung |
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Prämedikation vor Narkoseeinleitung |
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Sedierung auf der Intensivstation |
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Palliative Sedierung |
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Anpassung bei Nierenfunktionsstörung wie angegeben:
Bei leichter Intoxikation treten Schläfrigkeit und Verwirrung auf; in schwereren Fälle können auch Ataxie, Hypotonie, Hypotension, Atemdepression und Koma auftreten. Die Symptome klingen nach einigen Tagen ab.
Paradoxe Reaktionen wie z.B. Ruhelosigkeit, Angst, Agitation, Reizbarkeit, Erregung, Hyperaktivität, Aggressivität, Feindseligkeit, Verhaltensauffälligkeiten, abnorme Träume, Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Psychosen, unwillkürliche Bewegungen (z.B. tonisch-klonische Bewegungen, Zittern). Konvulsionen bei Frühgeborenen und Neugeborenen. [SmPC]
Midazolam kann sowohl bei Früh- als auch bei Reifgeborenen zu Hypotonie und bei Frühgeborenen zu verminderter zerebraler Durchblutung führen [Kumar 2010].
Folgende UAW wurden sehr häufig, häufig oder gelegentlich beobachtet (≥0,1 %):
Folgende schwerwiegende UAW wurden zudem selten, sehr selten (<0,1 %) oder mit unbekannter Häufigkeit beobachtet:
[Ref.]
Die vollständige Auflistung aller unerwünschter Arzneimittelwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Die vollständige Auflistung aller Kontraindikationen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Unter Überwachung verabreichen.
Der Antagonist Flumazenil sollte verfügbar sein: 0,01 mg/kg, ggf. nach 1 min wiederholen.
Cave: Atemdepression, Asthma, Atemwegsobstruktion, Kombination mit Opioiden.
Bei ambulanter/tagesstationärer Verabreichung: Entlassung erst, nachdem das Kind vollständig wach ist.
Bei kardiovaskulär instabilen Kindern schnelle i.v. Verabreichung vermeiden.
Vorsicht bei Früh- und Neugeborenen, die nicht intubiert wurden, aufgrund des erhöhten Apnoe-Risikos.
Benzodiazepine sollten bei Kindern nicht zur Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt werden.
Benzodiazepine sollten bei Kindern nicht zur Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt werden. Midazolam-Nasenspray kann als schmerzhaft empfunden werden, evtl. sollte vorher ein Lidocain-Nasenspray verwendet werden. Das Nasenspray hat einen schlechten Geschmack; ggf. einen Lutscher geben.
[Ref.]
Die vollständige Auflistung aller Warnhinweise ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Da Midazolam hauptsächlich über das Isoenzym CYP3A4 des Cytochrom P450-Systems metabolisiert wird, können vermehrt Interaktionen mit CYP3A4-Induktoren und -Inhibitoren auftreten.
Interaktionspartner |
Grund |
Handlungsempfehlung |
HIV-Medikamente (Proteaseinhibitoren und "Booster") z.B. Atazanavir, Cobicistat, Fosamprenavir, Indinavir, Lopinavir, Darunavir, Saquinavir |
Es ist mit einer massiv verstärkten und verlängerten Wirkung von Midazolam zu rechnen. Das Risiko für dosisabhängige UAW (z.B. Atemdepression, verlängerte Sedierung, Ataxie, Sehstörungen, Müdigkeit, Verwirrtheit, Halluzinationen) erhöht sich. |
Kontraindiziert. |
Lumacaftor, Ivacaftor |
CYP3A4-Inhibitoren können zu einem verminderten Metabolismus von Midazolam und damit zu einer verstärkten Wirkung (längerer Schlaf und verminderte psychomotorische Funktion) und einem erhöhten Risiko für UAW führen. |
Kombination vermeiden. Falls Kombination nicht vermieden werden kann, Midazolam Dosis geringer wählen oder auf alternative Benzodiazepine wie Lorazepam ausweichen. Monitoring der sedativen Effekte. |
Azol-Antimykotika, z.B. Fluconazol, Ketoconazol, Itraconazol |
CYP3A4-Inhibitor |
Alternatives Antimykotikum Tebinafin, das nicht mit Benzodiazepinen reagiert. |
Makrolid-Antibiotika, z.B. Clarithromycin, Erythromycin |
CYP3A4-Inhibitor |
Alternative Makrolid-Antibiotika: Roxithromycin oder Azithromycin |
Clobazam |
CYP3A4-Induktoren können zu einem verstärkten Metabolismus von Midazolam und damit zu einer verminderten Wirkung bis zum Therapieversagen führen. |
Falls Kombination nicht vermieden werden kann, die Midazolam Dosis eventuell steigern oder auf alternative Benzodiazepine wie Oxazepam oder Temazepam ausweichen. Monitoring der sedativen Effekte. |
Efavirenz |
CYP3A4-Induktor, bei dem jedoch mit verlängerter Sedierung und Atemdepression gerechnet werden muss. |
Kombination vermeiden. |
Opioide |
Sedative Midazolam- und Morphineffekte sind additiv (nicht synergistisch) und können zu tiefer Sedation führen. Die analgetischen Effekte von Morphin können verstärkt sein, wodurch geringere Opioiddosen ausreichend sind. |
Indikation kritisch überdenken und ggf. niedrige Benzodiazepin- bzw. Opioiddosis wählen. |
Propofol |
Propofol senkt die Clearance von Midazolam und verlängert die Halbwertszeit. Die sedativen Effekte von Midazolam werden durch Propofol verstärkt, so dass für vergleichbare Effekte nur etwa halbe Dosierungen benötigt werden (Synergismus). Umgekehrt senkt eine Midazolam-Vorbehandlung den Propofol-Dosisbedarf. |
In dieser Kombination sollten niedrigere Midazolam- bzw. Propofoldosierungen gewählt und die sedierenden Effekte eng überwacht werden. |
Diltiazem, Verapamil |
Deutliche Erhöhung des Plasmaspiegels von Midazolam und Verstärkung der Sedierung und Beeinträchtigung psychomotorischer Leistung. |
Die Kombination sollte vermieden werden. Falls eine gleichzeitige Verabreichung erforderlich ist, sollte die Midazolam-Dosis um mindestens 50% gesenkt werden um eine Übersedierung zu vermeiden. Erwägen Sie die Verwendung von Temazepam/Oxazepam oder eine Niedrigdosis (7,5 mg) Zopiclon anstelle von Midazolam. |
Clozapin |
Grund unbekannt. In seltenen Einzelfällen Blutdruckabfall, plötzliche Bewusstlosigkeit, Atemdepression, Atemstillstand und Herzstillstand aufgetreten. |
Während einer etablierten Clozapin-Behandlung kann bei Bedarf mit Vorsicht eine Benzodiazepin-Therapie eingeleitet werden. |
Die vollständige Auflistung aller Wechselwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen und einschlägigen Wechselwirkungsdatenbanken zu entnehmen.
In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.
Aldehyde und Derivate | ||
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Chloraldurat®
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N05CC01 |
Benzodiazepin-Derivate | ||
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Mogadan®
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N05CD02 |
Melatoninrezeptoragonisten | ||
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Circadin®, Mellozzan®, Pinealin®, Slenyto®, Voquily®
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N05CH01 |
Andere Hypnotika und Sedativa | ||
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Dexdor®
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N05CM18 | |
Sedaplus®
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N05CM21 |
Symptome: verschieden stark ausgeprägte zentrale Dämpfung, von Schläfrigkeit bis hin zum Koma. In leichten Fällen: Schläfrigkeit, geistige Verwirrtheit und Lethargie. In schwerwiegenderen Fällen: Ataxie, verringerter Muskeltonus, Blutdruckabfall und Atemdepression sowie selten Koma und sehr selten tödlicher Verlauf
Behandlung:
Bei jedem Arzneimittel ist bei der Behandlung einer Überdosierung an die Möglichkeit einer Mehrfachintoxikation zu denken. Nach einer Überdosis von oral angewendetem Midazolam sollte Erbrechen induziert werden (innerhalb von einer Stunde), sofern der Patient wach ist, oder unter Schutz der Atemwege eine Magenspülung durchgeführt werden, wenn der Patient bewusstlos ist. Wenn eine Magenentleerung nicht sinnvoll ist, sollte zur Verminderung der Resorption Aktivkohle verabreicht werden. Unter Intensivbedingungen ist insbesondere auf die Atem- und Herz-Kreislauf-Funktionen zu achten.
Flumazenil kann als Antidot hilfreich sein.
[Ref.]