Hydroxycarbamid

Wirkstoff
Hydroxycarbamid
Handelsname
Siklos®, Xromi®
ATC-Code
L01XX05

Zulassung
Dosierungsempfehlungen

Präparate
Pharmakodynamik und -kinetik
Nierenfunktionsstörungen
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Kontraindikationen
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Wechselwirkungen
Wirkstoffe der gleichen ATC-Klasse
Referenzen
Änderungsverzeichnis

Pharmakodynamik

Hydroxycarbamid ist ein oral wirkender antineoplastischer Wirkstoff. Die Wirkmechanismen sind noch nicht alle vollständig geklärt.

- Einer der Mechanismen ist eine Erhöhung der Konzentrationen von fetalem Hämoglobin (HbF) bei Sichelzell-Patienten. HbF beeinträchtigt die Polymerisation von HbS und behindert so die sichelartige Verformung der roten Blutzelle, was wiederum zur Abnahme von Vasookklusion und Hämolyse führt.
- Zudem wurde gezeigt, dass Hydroxycarbamid mit der Bildung von Stickoxid in Zusammenhang steht, was darauf hindeutet, dass Stickoxid die Produktion von zyklischer Guanosinmonophosphatase (cGMP) anregt, die dann wiederum eine Proteinkinase aktiviert und die Bildung von HbF steigert.
- Andere bekannte pharmakologische Wirkungen von Hydroxycarbamid, die zu seinen günstigen Wirkungen bei Sichelzellanämie beitragen können, sind ein Rückgang von Neutrophilen, ein Anstieg des Wassergehalts der roten Blutzellen, eine gesteigerte Verformbarkeit sichelförmiger Zellen und eine veränderte Adhäsion der roten Blutzellen an das Endothel.
- Darüber hinaus verursacht Hydroxycarbamid eine unmittelbare Hemmung der DNA-Synthese, indem es als Ribonukleotid-Reduktase-Inhibitor wirkt, ohne die Synthese von Ribonukleinsäure oder -protein zu beeinträchtigen.

Pharmakokinetik bei Kindern

 

  Kinder Erwachsene
Tmax 0,75 Stunden 1,2 Stunden
T1/2 etwas länger als bei Erwachsenen 6-7 Stunden

Zulassung der Dosierungsempfehlungen

  • Sichelzellanämie
    • oral
      • ≥9 Monate bis <18 Jahre: zugelassen

Auszug aus Fachinformation Auszug aus Fachinformation

Textauszug aus Fachinformation

Oral zur Prävention vaso-okklusiver Komplikationen (Gefäßverschlüsse) infolge von Sichelzellanämie

Kinder im Alter ab 9 Monaten

Die Dosierung wird anhand des Körpergewichts (kg) des Patienten berechnet. Die übliche Anfangsdosis von Hydroxycarbamid beträgt 15 mg/kg/Tag und die übliche Erhaltungsdosis beträgt 20 – 25 mg/kg/Tag. Die Höchstdosis beträgt 35 mg/kg/Tag. In den ersten 2 Monaten nach der Einleitung der Behandlung muss einmal pro Monat ein großes Blutbild mit Differenzialblutbild der Leukozyten und Retikulozytenzahl angefertigt werden.

[Ref.]

weitere zugelassene Indikationen bei Erwachsenen:
- Behandlung von Patienten mit chronischer myeloischer Leukämie (CML) in der chronischen oder akzelerierten Phase der Krankheit.
-
Behandlung von Patienten mit essentieller Thrombozythämie oder Polycythämia vera mit hohem Risiko für thromboembolische Komplikationen.

[Ref.]

Präparate im Handel

Lösung zum Einnehmen 100 mg/mL
Filmtabletten 100 mg, 1000 mg
Hartkapseln 500 mg

Präparate im Handel (ausgewählte Beispiele):

Präparat Darreichungsform Stärke
Natriumgehalt Problematische Hilfsstoffe Aroma Schulungsmaterial
Altersangabe
Xromi® Lösung zum Einnehmen 100 mg/mL k.A. Sucralose,
Methyl-4-hydroxybenzoat (0,5 mg/ml)
Erdbeere Blaue Hand ab 9 Monaten
Siklos® Filmtabletten 100 mgT2
1000 mgT4
k.A. - - Blaue Hand ab 2 Jahren


T2: teilbar in zwei gleiche Dosen, T4: teilbar in vier gleiche Dosen, k.A.: keine Angabe

Die Fachinformationen wurden am 07.05.2024 aufgerufen.

Neben den aufgeführten Präparaten befinden sich diverse Generika im Handel.

Anwendungshinweise:

  • Lösung zum Einnehmen: Hydroxycarbamid kann unabhängig von einer Mahlzeit zu jeder Tageszeit genommen werden, jedoch sollten die Patienten die Art der Anwendung und Tageszeit vereinheitlichen. Um die korrekte und einheitliche Dosisfreisetzung in den Magen zu fördern, sollte nach jeder Dosis Wasser getrunken werden.
  • Filmtabletten: Entsprechend der jeweiligen verordneten Dosierung sollte die Tablette bzw. die halbe oder viertel Tablette einmal täglich, vorzugsweise morgens vor dem Frühstück, erforderlichenfalls mit einem Glas Wasser oder einer sehr geringen Menge Nahrung, eingenommen werden.
    Patienten, die nicht in der Lage sind, die Tabletten zu schlucken, können diese unmittelbar vor der Verwendung in einem Teelöffel in einer kleinen Menge Wasser auflösen. Hinzufügen eines Tropfen Sirups oder Mischen mit Nahrung kann einen möglichen bitteren Geschmack überdecken.

Lieferengpässe/weitere praktische Informationen

Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe)

Dosierungsempfehlungen

Sichelzellanämie
  • Oral
    • ≥ 9 Monate
      [1] [2] [7]
      • Initialdosis: 15 mg/kg/Tag in 1 Dosis
      • Erhaltungsdosis: Je nach Wirksamkeit und Verträglichkeit kann die Dosierung in Schritten von 2,5 - 5 mg/kg/Tag erhöht werden auf 20 - 25 mg/kg/Tag in 1 Dosis. Max: 35 mg/kg/Tag.

Nierenfunktionsstörungen bei Kindern > 3 Monate

Creatininclearance 30 - 60 ml/min: 50 % der Dosis
Creatininclearance <30 ml/min: Es sollte keine Verabreichung erfolgen.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei Kindern

Bei Kindern ist das Nebenwirkungsprofil ähnlich wie bei Erwachsenen. Allerdings traten Neutropenien bei Kindern im Alter von 2-10 Jahren häufiger auf, und trockene Haut, Alopezie, Kopfschmerzen und Anämie waren weniger häufig als bei Erwachsenen. Bei Kindern im Alter von 10-18 Jahren waren trockene Haut, Hautgeschwüre, Alopezie, Gewichtszunahme und Anämie weniger häufig als bei Erwachsenen.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen allgemein

Sehr häufig (>10 %): Knochenmarkdepression, einschließlich Neutropenie (< 1 500/μl), Retikulozytopenie (< 80 000/μl), Makrozytose, Oligospermie, Azoospermie

Häufig (1-10 %): Thrombozytopenie (< 80 000/μl), Anämie (Hämoglobin < 4,5 g/dl), Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Verstopfung, Hautgeschwür, oral, Nagel- und Hauthyperpigmentierung, trockene Haut, Alopezie

Gelegentlich (0,1-1 %):  Stomatitis, Durchfall, Erbrechen, erhöhte Leberenzyme‚ Hepatotoxizität, Ausschlag

Selten (0,01-0,1 %): Ulcera cruris (Geschwüre am Bein)

Sehr selten (<0,01 %): systemischer und kutaner Lupus erythematosus

Häufigkeit nicht bekannt: Leukämie, Hautkrebs (bei älteren Patienten), Gewichtszunahme, Vitamin-D-Mangel, Blutungen, Störungen des Magen-Darm-Trakts, Gastrointestinalgeschwür, schwere Hypomagnesiämie, Amenorrhö, Fieber

Die vollständige Auflistung aller unerwünschter Arzneimittelwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Kontraindikationen allgemein

  • schwere Leberfunktionsstörung (Child Pugh Klassifikation C)
  • schwere Nierenfunktionsstörung (CrCl < 30 ml/min)
  • Myelosuppression im toxischen Bereich
  • Schwangerschaft und Stillzeit
  • gleichzeitige Behandlung mit antiretroviralen Arzneimitteln gegen eine HIV-Erkrankung

Die vollständige Auflistung aller Kontraindikationen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen allgemein

Für allgemeingültige Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen informieren Sie sich bitte in den aktuellen Fachinformationen.

Wechselwirkungen

Interaktionspartner Grund Handlungsempfehlung
myelosuppressive Arzneimittel
Strahlentherapie
erhöhtes Risiko für Knochenmarksdepression, gastrointestinalen Störungen, Mukositis und Bestrahlungserythem Kombination vermeiden.
Clozapin erhöhtes Risiko und/oder Schwere von Granulozytopenien/Agranulozytosen Kombination vermeiden. Falls die Kombination notwendig ist, ist das Blutbild besonders engmaschig zu überwachen.
Allergen-Extrakte, z.B. aus Bienengift verminderte Wirksamkeit der Hyposensibilisierung möglich Kombination vermeiden. Solange eine Immunsuppression durch immunsuppressiv wirkende Arzneimittel anhält, sollte keine Hyposensibilisierung begonnen werden.
Saccharomyces cerevisiae (boulardii) Fungämien und generalisierte Hefeinfektionen möglich Kombination vermeiden.
Lebend-Impfstoffe erhöhtes Risiko für unerwünschte Reaktion des Impfstoffvirus, schwere Infektionen möglich Kombination nur, wenn die Vorteile die potenziellen Risiken eindeutig überwiegen.


Die vollständige Auflistung aller Wechselwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen und einschlägigen Wechselwirkungsdatenbanken zu entnehmen.

ANDERE ANTINEOPLASTISCHE MITTEL

In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.

Methylhydrazine

Procarbazin

Natulan®
L01XB01
Monoklonale Antikörper

Blinatumomab

Blincyto®
L01XC19
Proteinkinase-Inhibitoren

Dasatinib

Sprycel®
L01XE06

Imatinib

Glivec®, Imanivec®
L01XE01
Andere antineoplastische Mittel

Irinotecan

Riboirino®, Onivyde®
L01XX19

Tisagenlecleucel

Kymriah®
L01XX71

Tretinoin - oral

Vesanoid®
L01XX14
Proteasom-Inhibitoren

Bortezomib

Velcade®
L01XG01

Referenzen

  1. Addmedica , SmPC Siklos (EU/1/07/397/002) 30-08-2017
  2. Nova Laboratories Ireland Limited, SmPC Xromi 100 mg/ml Lösung zum Einnehmen (EU/1/19/1366/001) Rev 7, 28-05-2024, www.ema.europa.eu
  3. Hexal AG, SmPC Hydroxycarbamid HEXAL® 500 mg Hartkapseln (71991.00.00), 05/2019
  4. 1 A Pharma GmbH, SmPC Hydroxycarbamid - 1 A Pharma® 500 mg Hartkapseln (72483.00.00), 05/2019
  5. Bristol-Myers Squibb GmbH & Co, SmPC Litalir® 500 mg Hartkapseln (6071862.00.00), 02/2021
  6. Addmedica, SmPC Siklos 100 mg, 1000 mg Filmtabletten (EU/1/07/397/001), 08/2020
  7. Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie, AWMF-S2k-Leitlinie 025/016 „Sichelzellkrankheit“, AWMF, 2. Auflage vom 2. Juli 2020, https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/025-016.html

Änderungsverzeichnis

  • 10 Mai 2024 13:19: Altersabsenkung auf 9 Monate (zuvor: 2 Jahre) gemäß SmPC Xromi
  • 23 Dezember 2021 15:05: Schulungsmaterial (Blaue Hand) hinzugefügt
  • 16 April 2021 11:46: Neue Monographie

Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)


Überdosierung