Amitriptylin

Wirkstoff
Amitriptylin
Handelsname
Amineurin®
ATC-Code
N06AA09

Zulassung
Dosierungsempfehlungen

Präparate
Pharmakodynamik und -kinetik
Nierenfunktionsstörungen
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Kontraindikationen
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Wechselwirkungen

Überdosierung
Wirkstoffe der gleichen ATC-Klasse
Referenzen
Änderungsverzeichnis

Pharmakodynamik

Amitriptylin ist ein trizyklisches Antidepressivum und Analgetikum. Es hat ausgeprägte anticholinerge und sedierende Eigenschaften. Es blockiert die Wiederaufnahme und somit die Inaktivierung von Noradrenalin und Serotonin an den Nervenendigungen. Indem die Wiederaufnahme dieser beiden Monoamin-Neurotransmitter verhindert wird, wird ihre Wirkung im Gehirn verstärkt. Dies scheint mit der antidepressiven Aktivität assoziiert zu sein. Der Wirkmechanismus umfasst außerdem Ionenkanal-Blockaden der Natrium-, Kalium- und NMDA-Kanäle sowohl zentral als auch im Rückenmark. Die Noradrenalin-, Natrium- und NMDA-Effekte tragen bekanntermaßen zur Regulierung neuropathischer Schmerzen, Prophylaxe chronischer Spannungskopfschmerzen und Migräneprophylaxe bei. Die schmerzreduzierende Wirkung von Amitriptylin beruht nicht auf seinen antidepressiven Eigenschaften.
Trizyklische Antidepressiva zeigen in unterschiedlichem Maße Affinität für Muscarin- und Histamin-H1-Rezeptoren.

Pharmakokinetik bei Kindern

Keine Daten zur Pharmakokinetik bei Kindern verfügbar.

Zulassung der Dosierungsempfehlungen

  • Enuresis nocturna
    • oral, schnellfreisetzend
      • ≥6 Jahre bis <18 Jahre: zugelassen*
    • oral, retardiert
      • ≥11 Jahre bis <18 Jahre: zugelassen*

*wenn eine organische Ursache ausgeschlossen wurde und mit allen anderen Behandlungsmaßnahmen kein Ansprechen erzielt wurde.

  • Neuropathische Schmerzen
    • oral
      • ≥6 Jahre bis <18 Jahre: off-label
  • Prophylaxe Kopfschmerzen
    • oral
      • ≥6 Jahre bis <18 Jahre: off-label**

**negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis nach Beurteilung der Off-Label-Expertengruppe des BfArM (AMRL Anlage VI, Teil B)

Auszug aus Fachinformation Auszug aus Fachinformation

Textauszug aus Fachinformation

Oral zur Behandlung der Enuresis nocturna, wenn eine organische Ursache, einschließlich Spina bifida und verwandte Störungen, ausgeschlossen wurde und mit allen anderen medikamentösen und nicht-medikamentösen Behandlungsmaßnahmen, einschließlich Antispastika und Vasopressin-verwandten Arzneimitteln, kein Ansprechen erzielt wurde

  • Die Dosis sollte schrittweise gesteigert werden.
  • Die maximale Behandlungsdauer sollte 3 Monate nicht überschreiten. Wenn mehrere Amitriptylin-Behandlungszyklen erforderlich sind, ist alle 3 Monate eine ärztliche Überprüfung vorzunehmen.
  • Bei Beendigung der Behandlung sollte das Arzneimittel über mehrere Wochen schrittweise abgesetzt werden.

Kinder und Jugendliche (≥6 Jahre bis <11 Jahre):

  • 10 - 20 mg täglich, eingenommen 1 - 1,5 Stunden vor dem Schlafengehen.

Kinder und Jugendliche (≥11 Jahre bis <18 Jahre):

  • 25 - 50 mg täglich, eingenommen 1 - 1,5 Stunden vor dem Schlafengehen.

[Ref.]

Oral bei neuropathischen Schmerzen

  • nur für Erwachsene zugelassen
  • Dosierungsempfehlung siehe Fachinformation

[Ref.]

Oral zur prophylaktischen Behandlung von chronischen Spannungskopfschmerzen und zur Migräneprophylaxe

  • nur für Erwachsene zugelassen
  • Dosierungsempfehlung siehe Fachinformation

[Ref.]

Oral zur langfristigen Schmerzbehandlung im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzeptes

Kinder und Jugendliche (<18 Jahre):

  • Initialdosis: 25 mg
  • Tagesmaximaldosis: 75-100 mg, in Einzelfällen bis 150 mg
  • Die Dosis wird schrittweise gesteigert.
  • Die mittlere Dauer einer Behandlungsperiode bis zum Nachlassen der Krankheitserscheinungen beträgt im Allgemeinen mindestens 4-6 Wochen.

[Ref.]

Oral bei depressiven Erkrankungen (Episoden einer Major Depression)

Kinder und Jugendliche (<18 Jahre):

  • 25-150 mg
  • Tagesmaximaldosis: 4-5 mg/kg Körpergewicht
  • Die einleitende Behandlung ist durch schrittweise Dosissteigerung und die Beendigung der Behandlung durch langsame Verringerung der Dosis vorzunehmen.
  • Die mittlere Dauer einer Behandlungsperiode bis zum Nachlassen der Krankheitserscheinungen beträgt im Allgemeinen mindestens 4-6 Wochen.
  • Nach Rückbildung der depressiven Symptomatik sollte die Behandlung noch wenigstens 6 Monate weitergeführt werden.

[Ref.]

Präparate im Handel

Lösung zum Einnehmen 40 mg/mL
Filmtabletten 10 mg, 25 mg, 50 mg, 66,29 mg,  75 mg, 88,38 mg
überzogene Tabletten 8,84 mg, 22,1 mg, 44,19 mg
Tabletten 25 mg, 75 mg
Retardtabletten 100 mg

Allgemein

Die im Handel befindlichen Präparate enthalten Amitriptylin in Form von Amitriptylinhydrochlorid.
Umrechnungsfaktor: 1,13 (88,38 mg Amitriptylin ≙ 100 mg Amitriptylinhydrochlorid)

Präparate im Handel (ausgewählte Beispiele):

Präparat Darreichungsform Stärke (Amitriptylin) Applikationsweg Natriumgehalt Problematische Hilfsstoffe Anwendungshinweis Altersangabe
Amitriptylin-neuraxpharm® Lösung zum Einnehmen 40 mg/mL oral k.A. - Die Einnahme sollte zu oder unabhängig von den Mahlzeiten mit etwas Flüssigkeit oder auf Zucker erfolgen. Enuresis nocturna: ab 6 Jahren
weitere Indikationen: Erwachsene
Amineurin® Filmtabletten 10 mgT0, M, S, So
25 mgT2, M, S, So
50 mgT2, M, S, So
oral natriumfrei Lactose (57,5 mg/Tbl.)
Lactose (61,8 mg/Tbl.)
Lactose (2,5 mg/Tbl.)
Die Tabletten sollten mit Wasser geschluckt werden. Enuresis nocturna: ab 6 Jahren
weitere Indikationen: Erwachsene
Amitriptylin-neuraxpharm® Filmtabletten 66,29 mgT3, M, S, So
88,38 mgT4, M, S, So
oral natriumfrei Lactose (94,00 mg/Tbl.)
Lactose (125,34 mg/Tbl.)
Die Tabletten sollten unzerkaut mit Wasser geschluckt und können zu oder unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden. Enuresis nocturna: ab 11 Jahren
weitere Indikationen: Erwachsene
Amitriptylin-neuraxpharm® überzogene Tabletten 8,84 mgT0, M, S, So oral natriumfrei Lactose (33,18 mg/Tbl.),
Sucrose (40,09 mg/Tbl.)
siehe Amitriptylin-neuraxpharm® Filmtabletten Enuresis nocturna:
8,84 mg: ab 6 Jahren
22,1 mg, 44,19 mg: ab 11 Jahren
weitere Indikationen: Erwachsene
22,1 mgT0, M, S, So Lactose (38,00 mg/Tbl.),
Sucrose (60,21 mg/Tbl.)
44,19 mgT0, M, S, So Lactose (76,00 mg/Tbl.),
Sucrose (72,33 mg/Tbl.)
Amitriptylin-CT Tabletten 25 mgT2
75 mgT2
oral k.A. - Die Tabletten sollten mit Wasser geschluckt werden. Enuresis nocturna: ab 6 Jahren
weitere Indikationen: Erwachsene
Amineurin® retard Retardtabletten 88,4 mgT4 oral natriumfrei Lactose (73,3 mg/Tbl.) Die Retardtabletten sollten mit Wasser geschluckt und können unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden. Enuresis nocturna: ab 11 Jahren
weitere Indikationen: Erwachsene


T4: teilbar in vier gleiche Dosen, T3: teilbar in drei gleiche Dosen, T2: teilbar in zwei gleiche Dosen, T0: nicht teilbar, M: mörserbar, S: suspendierbar, So: sondengängig, k.A.: keine Angabe, „natriumfrei“: weniger als 1 mmol Natrium (23 mg) pro Einheit

Die Fachinformationen wurden am 06.11.2023 aufgerufen.

Neben den aufgeführten Präparaten befinden sich diverse weitere Fertigarzneimittel im Handel.

Anwendungshinweis: Lösung zum Einnehmen: Bei unverdünnter Einnahme kann es aufgrund des lokalanästhetischen Effektes trizyklischer Antidepressiva vorübergehend zu einem Taubheitsgefühl an Zunge und Mundschleimhaut kommen.

Lieferengpässe/weitere praktische Informationen

Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe)

Dosierungsempfehlungen

Enuresis nocturna
  • Oral
    • Schnellfreisetzendes Präparat
      • 6 Jahre bis 18 Jahre
        [1] [5]
        • Amitriptylinhydrochlorid: 1 - 1,5 mg/kg/Tag in 1 Dosis. Max: 50 mg/Tag.
          • Die Dosis sollte schrittweise erhöht werden.
          • Die Verabreichung der Dosis sollte 1 bis 1,5 Stunden vor dem Schlafengehen erfolgen.
          • Behandlungsdauer: max. 3 Monate. Wenn wiederholte Zyklen erforderlich sind, sollte alle 3 Monate eine medizinische Beurteilung durchgeführt werden.
          • Die Behandlung mit Amitriptylin sollte aufgrund des Auftretens von Entzugssymptomen nicht plötzlich abgesetzt werden. Die Dosierung muss schrittweise ausgeschlichen werden.
    • Retardtablette
      • ≥ 11 Jahre
        [2] [11]
        • Amitriptylinhydrochlorid: 25 - 50 mg/Tag in 1 Dosis
Neuropathische Schmerzen
  • Oral
    • 6 Jahre bis 18 Jahre
      [3] [4] [9]
      • Initialdosis: Amitriptylinhydrochlorid:  5 - 10 mg/Tag in 1 Dosis zur Nacht. Bei Bedarf langsam auf max. 25 mg/Tag steigern.
      • Die Behandlung mit Amitriptylin sollte aufgrund des Auftretens von Entzugssymptomen nicht plötzlich abgesetzt werden. Die Dosierung muss schrittweise ausgeschlichen werden.

        off-label

Prophylaxe Kopfschmerzen
  • Oral
    • 6 Jahre bis 18 Jahre
      [6] [7] [8]
      • Initialdosis: Amitriptylinhydrochlorid: zur Nacht 10 mg/Tag in 1 Dosis
      • Erhaltungsdosis: Amitriptylinhydrochlorid: Langsam erhöhen um 10 mg/Tag alle 4 - 6 Wochen auf 10 - 30 mg/Tag in 1 Dosis. Max: 30 mg/Tag.
        • Die Behandlung mit Amitriptylin sollte aufgrund des Auftretens von Entzugssymptomen nicht plötzlich abgesetzt werden. Die Dosierung muss schrittweise ausgeschlichen werden.
        • Die Studie von Powers (2017) zeigt, dass die Wirksamkeit von Amitriptylin bei der Migräneprophylaxe nicht wirksamer ist als Placebo. Dennoch kann nach Ansicht von Expert*innen in Einzelfällen eine Behandlung mit Amitriptylin in Betracht gezogen werden.

        off-label*
        (*siehe Zulassung)

Nierenfunktionsstörungen bei Kindern > 3 Monate

Keine Informationen zur Dosisanpassung bei Nierenfunktionsstörung vorhanden.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei Kindern

Das Auftreten schwerwiegender unerwünschter Arzneimittelwirkungen oder das Ausbleiben einer Wirkung kann auf eine veränderte Metabolisierung des Wirkstoffs zurückzuführen sein. CYP2D6 kann für die unterschiedliche Reaktion verantwortlich sein. Eine Genotypisierung kann in Betracht gezogen werden.

In der Indikation Enuresis nocturna sind die häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen Schläfrigkeit, anticholinerge Wirkungen, leichtes Schwitzen und Juckreiz.

In einem Fall (n=1) bei Enuresis nocturna wurde die reversible unerwünschte Arzneimittelwirkung 'Esotropie (Schielen)' berichtet [Eidlitz-Markus et al. 2012].
In einer Studie (n=45) zu schwerer Migräne wurde über die unerwünschte Arzneimittelwirkung 'Ohnmacht' (n=1) berichtet [Eidlitz-Markus et al. 2012].
In einer anderen Studie (n=144) zu Migräne wurde die unerwünschte Arzneimittelwirkung 'Stimmungsänderungen' (n=3) berichtet [Powers et al. 2017].

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen allgemein

Sehr häufig (>10 %): Aggression, Schläfrigkeit, Tremor, Schwindel, Kopfschmerz, Benommenheit, Sprachstörung (Dysarthrie), Akkommodationsstörung, Herzklopfen, Tachykardie, orthostatische Hypotonie, verstopfte Nase, Mundtrockenheit, Obstipation, Übelkeit, Hyperhidrosis, Gewicht erhöht

Häufig (1-10 %): Verwirrtheit, Libido vermindert, Agitiertheit, Aufmerksamkeitsstörungen, Geschmacksstörung, Parästhesie, Ataxie, Mydriasis, atrioventrikulärer Block, Schenkelblock, Störungen bei der Harnblasenentleerung, Erektionsstörung, Müdigkeit, Durstgefühl, Elektrokardiogramm abnorm, Elektrokardiogramm QT verlängert, Elektrokardiogramm QRS-Komplex verlängert, Hyponatriämie

Gelegentlich (0,1-1 %): Hypomanie, Manie, Angst, Schlaflosigkeit, Alptraum, Konvulsion, Tinnitus, Kollaps, Verschlechterung einer Herzinsuffizienz, Hypertonie, Mundtrockenheit, Obstipation, Übelkeit, Störung der Leber (z. B. cholestatische Lebererkrankung), Ausschlag, Urtikaria, Gesichtsödem, Harnretention, Galaktorrhoe, intraokulärer Druck erhöht

Selten (0,01-0,1 %): Knochenmarkdepression, Agranulozytose, Leukopenie, Eosinophilie, Thrombozytopenie, verminderter Appetit, Delirium (bei älteren Menschen), Halluzination, suizidale Gedanken oder suizidales Verhalten, Arrhythmie, Vergrößerung der Speicheldrüse, paralytischer Ileus, Ikterus, Alopezie, Lichtempfindlichkeitsreaktion, Gynäkomastie, Fieber, Gewichtsabnahme, Leberfunktionstest anomal, alkalische Phosphatase im Blut erhöht, Transaminasen erhöht

Sehr selten (<0,01 %): Akathisie, Polyneuropathie, akutes Glaukom, Kardiomyopathien, Torsades de Pointes

Häufigkeit nicht bekannt: Anorexie, Erhöhung oder Absenken des Blutzuckerspiegels, Paranoia, extrapyramidale Störungen, trockenes Auge, Hypersensitivitätsmyokarditis, Hyperthermie, allergische Entzündung der Alveolen bzw. des Lungengewebes (Alveolitis, Löffler-Syndrom), Hepatitis

Die vollständige Auflistung aller unerwünschter Arzneimittelwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Kontraindikationen allgemein

  • kürzlich zurückliegender Herzinfarkt
  • Herzblock jeglichen Grades oder Herzrhythmusstörung und Koronarinsuffizienz
  • gleichzeitige Behandlung mit Monoaminoxidase-(MAO-)Hemmern (eine Behandlung mit Amitriptylin kann 14 Tage nach Absetzen eines irreversiblen nicht-selektiven MAO-Hemmers und frühestens 1 Tag nach Absetzen des reversiblen MAO-Hemmers Moclobemid eingeleitet werden. Eine Behandlung mit einem MAO-Hemmer kann 14 Tage nach Absetzen von Amitriptylin eingeleitet werden.)
  • schwere Lebererkrankung
  • Kinder unter 6 Jahren

Die vollständige Auflistung aller Kontraindikationen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen bei Kindern

Zusammenfassung:
Führt zu herabgesetztem Reaktions- und Konzentrationsvermögen; nicht bei Depressionen verbreichen, Patienten, insbesondere Risikopatienten (Suizidgedanken, Suizidversuche), sollten aufgrund des erhöhten Suizidrisikos sorgfältig überwacht werden. Suizidales Verhalten oder Suizidgedanken können während der frühen Phase der Behandlung mit Antidepressiva auch bei anderen Erkrankungen als Depressionen auftreten. Vor und während der Behandlung: Blutdruck, Puls und EKG kontrollieren; kardiale Beschwerden können auftreten oder sich verschlimmern. Symptome wie Schwindel und Palpitationen müssen sofort abgeklärt werden. Wegen des erhöhten Kariesrisikos sind zahnärztliche Kontrollen angezeigt.

Die Anwendung kann zu einem herabgesetzten Reaktions- und Konzentrationsvermögen führen. Dies kann zahlreiche Alltagstätigkeiten beeinträchtigen.

Im Gegensatz zum Einsatz bei Erwachsenen, wird die Anwendung von tricyclischen Antidepressiva (TCA) bei Kindern und Jugendlichen mit Depressionen nicht empfohlen; Wirksamkeit und Sicherheit wurden nicht nachgewiesen und es gibt Fälle mit tödlichen Verläufen.

Ein Screening auf Suizidrisiken ist vor der Behandlung angezeigt. Die Behandlung mit Antidepressiva kann das (durch die Depression erhöhte) Suizidrisiko in der frühen Phase der Genesung noch weiter erhöhen. Patienten - insbesondere solche, die aufgrund von Suizidgedanken oder Suizidversuchen ein hohes Risiko haben - müssen während der Behandlung sorgfältig überwacht werden, insbesondere zu Therapiebeginn und bei Dosisanpassungen. Suizidgedanken und suizidales Verhalten können während der frühen Phase der Behandlung mit Antidepressiva auch in anderen Indikationen als Depressionen auftreten. Bei der Behandlung von Patienten mit Enuresis nocturna, neuropathischen Schmerzen oder Kopfschmerzen (Prophylaxe) sollten daher die gleichen Vorsichtsmaßnahmen wie bei der Behandlung von Patienten mit Depressionen getroffen werden. Patienten sollen auf die Notwendigkeit aufmerksam gemacht werden, jede klinische Verschlechterung, suizidales Verhalten oder Suizidgedanken und ungewöhnliche Verhaltensänderungen sorgsam zu überwachen und bei Auftreten derartiger Symptome unverzüglich medizinischen Rat zu suchen. Patienten dürfen keine größere Menge des Wirkstoffs zur Verfügung haben

Bei der Therapie mit TCA müssen kardiale Vorerkrankungen in der Patienten- und Familienanamnese berücksichtigt werden, da diese Wirkstoffgruppe eine bestehende oder erbliche Anfälligkeit für Arrhythmien verschlimmern kann. Blutdruck, Pulsfrequenz und EKG sollten vor und während der Behandlung regelmäßig überprüft werden, insbesondere hinsichtlich PR-, QT-, QRS-Verlängerung. Aufgrund dieser kardialen Nebenwirkungen müssen Symptome wie Schwindel und Palpitationen sofort abgeklärt werden.

Zahnärztliche Kontrollen sind wegen des erhöhten Kariesrisikos angezeigt.

Empfohlene Kontrolluntersuchungen finden Sie hier.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen allgemein

Für allgemeingültige Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen informieren Sie sich bitte in den aktuellen Fachinformationen.

Wechselwirkungen

Amitriptylin wird über das Cytochrom-P450-System der Leber metabolisiert. Dementsprechend sind folgende Wechselwirkungen zu beachten:

  • CYP-Inhibitoren: Erhöhung der Amitriptylin-Plasmakonzentration in Kombination mit einem CYP-Inhibitor (v.a. CYP2D6-/ CYP2C9-Inhibitoren) möglich.
  • CYP-Induktoren: Verminderte der Amitriptylin-Plasmakonzentration in Kombination mit einem CYP-Induktor.

Es sind daher in jedem Einzelfall die Wechselwirkungen mit den verabreichten Substanzen zu überprüfen und durch im jeweiligen Einzelfall geeignete Maßnahmen wie Drug Monitoring zu überwachen, bzw. Dosisanpassungen vorzunehmen.

[Ref.]

Schweregrad Interaktionspartner Grund Handlungsempfehlung
Kontraindiziert MAO-Hemmer, z.B. Selegilin, Moclobemid Provokation eines Serotonin-Syndroms möglich Ansetzen von Amitriptylin 1 (reversible MAO-Hemmer) bzw. 14 (irreversible MAO-Hemmer) Tage nach Absetzen des MAO-Hemmers. Ansetzen eines MAO-Hemmers 14 Tage nach Absetzen von Amitriptylin
  QT-Zeit verlängernde Stoffe, z.B. Amiodaron, Terfenadin, Pimozid, Sertindol, (Es)Citalopram Erhöhtes Risiko von ventrikulären Tachykardien (Torsade de pointes) Keine Kombination
  Stoffe, die eine Hypokaliämie hervorrufen können, z.B. Diuretika (Furosemid) Hypokaliämie möglich Keine Kombination
Vorsichtshalber kontraindiziert Adrenozeptorblocker z.B. Clonidin Verminderte blutdrucksenkende Wirkung, verstärkter Entzugshochdruck möglich Antihypertensive Therapie überprüfen
  Linezolid Provokation eines Serotonin-Syndroms möglich Sorgfältig auf Zeichen eines Serotonin-Syndroms monitoren
  Clozapin Erhöhung des Risikos bzw. der Schwere von Granulozytopenien bzw. Agranulozytosen Besonders engmaschige Überwachung des Blutbilds
Kombination vermeiden Anticholinergika, z.B. Antihistaminika (Dimenhydrinat, (Des)Loratadin), Butylscopolamin, Propiverin, Oxybutinin
Erhöhtes Risiko anticholinerger Nebenwirkungen (z.B. paralytischer Ileus, Hyperpyrexie) Auf periphere und zentrale anticholinerge Effekte überwachen
  ZNS-dämpfende Stoffe z.B. Ethanol, Barbiturate Verstärkte sedierende Wirkung möglich Nur unter Beachtung geeigneter Maßnahmen kombinieren; Ethanolfreie Alternative erwägen
  Weitere QT-Zeit verlängernde Stoffe, z.B. Antibiotika (Ciprofloxacin, Erythromycin), Antihistaminika (Diphenhydramin, (Levo)Cetirizin), Chloroquin, Neuroleptika (Haloperidol, Clozapin) Erhöhtes Risiko von ventrikulären Tachykardien (Torsade de pointes) Nur unter Beachtung geeigneter Maßnahmen kombinieren
Therapieanpassung erwägen Sympathomimetika (auch als Zusatz zur Lokalanästhesie), z.B. Dopamin, Ephedrin, Noradrenalin Starker Blutdruckanstieg und Herzrhythmusstörungen möglich Kleine Dosen des Sympathomimetikums mit großer Vorsicht unter Blutdruckkontrolle geben
  Tramadol Erhöhtes Risiko für Krampfanfälle und Serotoninsyndrom Nur unter Beachtung geeigneter Maßnahmen kombinieren
Weitere mögliche Interaktionen Natriumvalproat Erhöhte Amitriptylin-Plasmakonzentration möglich Klinische Überwachung empfohlen

 

Die vollständige Auflistung aller Wechselwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen und einschlägigen Wechselwirkungsdatenbanken zu entnehmen.

ANTIDEPRESSIVA

In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.

Nichtselektive Monoamin-Wiederaufnahmehemmer

Clomipramin

Anafranil®
N06AA04
N06AA02
N06AA10
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer

Citalopram

Cipramil®
N06AB04

Escitalopram

Cipralex®
N06AB10

Fluoxetin

Prozac®
N06AB03

Fluvoxamin

Fevarin®
N06AB08

Sertralin

Zoloft®
N06AB06
Andere Antidepressiva

Bupropion

Elontril®, Zyban®
N06AX12

Duloxetin

Cymbalta®, Duloxalta®
N06AX21

Mirtazapin

Remergil®
N06AX11

Venlafaxin

Trevilor®
N06AX16

Referenzen

  1. Apotex Europe BV, SmPC Amitriptyline (RVG 52186) 01-09-2016, www.geneesmiddeleninformatiebank.nl
  2. Lundbeck BV, SmPC Sarotex retard (RVG 06480) 18-05-2017, www.geneesmiddeleninformatiebank.nl
  3. Brown S et al. , A randomized controlled trial of amitriptyline versus gabapentin for complex regional pain syndrome type I and neuropathic pain in children. , Scand J Pain., 2016 , Oct;13, 156-163
  4. WHO Press World Health Organization, WHO Guidelines on the Pharmacological Treatment of Persisting Pain in Children with Medical Illnesses., 2012, ISBN 978 92 4 154812 0
  5. Burke JR et al, A comparison of amitriptyline, vasopressin and amitriptyline with vasopressin in nocturnal enuresis, Pediatric Nephrology , 1995, 9(4), 438-40
  6. Powers SW et al. , Trial of amitriptyline, topiramate and placebo for pediatric migraine. , N Engl J Med , 2017, 376(2), 115-24
  7. Eidlitz-Markus T et al, Nonpharmacologic treatment of migraine with low-dose propranolol or amitriptyline., Pediatr Neurol , 2012, 46(6), 345-9
  8. Hershey AD et al, Effectiveness of amitriptyline in the prophylactic management of childhood headaches., Headache, 2000, 40, 539-49
  9. Anghelescu DL et al, Prospective study of neuropathic pain after definitive surgery for extremity osteosarcoma in a pediatric population., Pediatr Blood Cancer , 2017, Mar;64(3)
  10. HEXAL, SmPC Amineurin® 10 mg / 25 mg / 50 mg Filmtabletten (9768.00.00), 12/2021
  11. HEXAL, SmPC Amineurin® 100 mg Retardtabletten (3003259.00.00), 12/2021
  12. AbZ-Pharma, SmPC Amitriptylin-CT 25 mg / 75 mg Tabletten (6612418.01.00), 11/2021
  13. neuraxpharm, SmPC Amitriptylin-neuraxpharm® 10 mg / 25 mg / 50 mg überzogene Tabletten (6306905.01.01), 01/2022
  14. neuraxpharm, SmPC Amitriptylin-neuraxpharm® 75 mg / 100 mg Filmtabletten (40687.00.00), 01/2022
  15. neuraxpharm, SmPC Amitriptylin-neuraxpharm® Lösung zum Einnehmen (32419.00.00), 01/2022
  16. Gelbe Liste Online, https://www.gelbe-liste.de/, aufgerufen 02/2020
  17. HEXAL, Sondenbogen Amineurin® 10 mg/25 mg/50 mg Filmtabletten, aufgerufen 02/2020, http://www.hexal.biz/praeparate/fachkreise/sondenbogen/?
  18. HEXAL, Sondenbogen Amineurin® 100 mg Retardtabletten, aufgerufen 02/2020, http://www.hexal.biz/praeparate/fachkreise/sondenbogen/?
  19. Expertengruppen Off-Label, Amitriptylin, Topiramat zur Migräneprophylaxe bei Kindern und Jugendlichen, BfArM, aufgerufen am 07.04.2020, https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelzulassung/Zugelassene_Arzneimittel/Expertengruppen_OffLabel/Bewertungen/Amitriptylin_Topiramat_Migraene_Kinder.html
  20. Diener H.-C., Gaul C., Kropp P. et al., Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, S1-Leitlinie, 2018, Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie., abgerufen am 07.04.2020, https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-057l_S1_Migraene-Therapie_2019-10.pdf

Änderungsverzeichnis

  • 06 November 2023 14:42: Bezugsgröße des Präparates Amitriptylin-neuraxpharm® angepasst (neu: Angabe der Wirkstärke als Base (Amitryptilin), zuvor: Wirkstärke als Salz (Amitryptilinhydrochlorid))
  • 22 Februar 2022 21:46: Galenikänderung: Amitriptylin-neuraxpharm® Lösung zum Einnehmen enthält kein Methyl-/Propyl-4-hydroxybenzoat mehr
  • 07 Dezember 2020 13:40: Aktualisierung
  • 24 März 2020 12:56: Neue Monographie

Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)


Überdosierung

  • Kinder sind besonders anfällig für Kardiotoxizität, Krampfanfälle und Hyponatriämie.
  • Anticholinerge Symptome: Mydriasis, Tachykardie, Krämpfe, Fieber, Harnverhalt, trockene Schleimhäute, verminderte Darmmotilität, plötzlich einsetzende ZNS-Depression, herabgesetzte Bewusstseinslage mit Progression zum Koma, Atemdepression, kardiale Symptome: Arrhythmien (ventrikuläre Tachyarrhythmie, Torsades de pointes-Tachykardie, Kammerflimmern)
    EKG: verlängerte PR-Intervalle, verbreiterte QRS-Komplexe, verlängerte QT-Intervalle, flache oder invertierte T-Wellen, ST-Streckensenkung sowie Herzblock unterschiedlicher Schwere mit Progression zum Herzstillstand. Die Verbreiterung des QRS-Komplexes korreliert meist gut mit der Schwere der Toxizität nach einer akuten Überdosierung. Herzinsuffizienz, Hypotonie, kardiogener Schock, metabolische Azidose, Hypokaliämie, Hyponatriämie
  • Therapie:
    • Engmaschig, falls nötig stationär (ITS) für 12 Stunden überwachen, auch in scheinbar unkomplizierten Fällen:Harnstoff und Elektrolyte kontrollieren: auf niedrigen Kaliumspiegel achten und Urinausscheidung überwachen.
    • Arterielle Blutgase kontrollieren: auf Azidose achten.
    • Elektrokardiographie durchführen: – auf QRS >0,16 Sekunden achten.
    • Herzfunktion kontinuierlich für 3 – 5 Tage mittels EKG überwachen.
    • Kein Flumazenil für eine reversible Aufhebung der Benzodiazepinentoxizität bei gemischten Überdosierungen verabreichen.
    • Falls innerhalb einer Stunde nach einer potenziell letalen Überdosis: Magenspülung erwägen.
    • Falls innerhalb einer Stunde nach der Einnahme: 50 g medizinische Kohle verabreichen.
    • Atemwege durch Intubation offenhalten, falls erforderlich. Behandlung mit Respirator wird angeraten, um einem Atemstillstand vorzubeugen.
    • Ruhelosigkeit und Krämpfe ggf. mit Diazepam behandeln.
    • Monitoring für Rhabdomyolyse, falls der Patient für eine beträchtliche Zeit bewusstlos ist.

[SmPC Amineurin Filmtabletten]