Mercaptamin - oral

Wirkstoff
Mercaptamin - oral
Handelsname
Cystagon, Procysbi®; Syn: Cysteamin
ATC-Code
A16AA04

Zulassung
Dosierungsempfehlungen

Präparate
Pharmakodynamik und -kinetik
Nierenfunktionsstörungen
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Kontraindikationen
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Wechselwirkungen
Wirkstoffe der gleichen ATC-Klasse
Referenzen
Änderungsverzeichnis

Pharmakodynamik

Mercaptamin (Cysteamin) ist das einfachste stabile Aminothiol und ein Abbauprodukt der Aminosäure Cystein. Mercaptamin ist in den Lysosomen an einer Thiol-Disulfid-Austauschreaktion beteiligt, bei der Cystin in Cystein und ein gemischtes Cystein-Mercaptamin-Disulfid umgewandelt wird, die bei Patienten mit Cystinose beide aus den Lysosomen austreten können.

Pharmakokinetik bei Kindern

Es sind keine spezifischen Informationen für Kinder vorhanden.

[SmPC Cystagon]

Zulassung der Dosierungsempfehlungen

  • Nephropathische Cystinose
    • oral
      • ≥1 Monat bis <18 Jahre: zugelassen

Auszug aus Fachinformation Auszug aus Fachinformation

Textauszug aus Fachinformation

Oral zur Behandlung der nachgewiesenen nephropathischen Cystinose bei Kindern und Erwachsenen

  • Bei Kindern bis zu 12 Jahren muss Mercaptamin auf Basis der Körperoberfläche (g/m2/Tag) dosiert werden. Die empfohlene Dosierung beträgt 1,30 g/m2/Tag der freien Cysteamin-Base, verteilt auf 4 Tagesgaben.
  • Bei Patienten über 12 Jahren und mit einem Körpergewicht über 50 kg wird eine Dosierung von 2 g/Tag empfohlen, verteilt auf 4 Tagesgaben.

Zu Therapiebeginn sollte die Dosierung 1/4 bis 1/6 der erwarteten Erhaltungsdosis betragen und anschließend über einen Zeitraum von 4 – 6 Wochen erhöht werden, um Unverträglichkeitsreaktionen zu vermeiden.

Die maximale Dosierung, die in klinischen Studien verwendet wurde, beträgt 1,95/m2/Tag. Die Anwendung höherer Dosen als 1,95 g/m2/Tag wird nicht empfohlen.

[Ref.]

Präparate im Handel

Hartkapseln 50 mg, 150 mg
magensaftresistente Hartkapseln 25 mg, 75 mg

Die im Handel befindlichen Präparate enthalten Mercaptamin (Cysteamin) als Mercaptamin-Hydrogentartrat. Die Angabe der Wirkstoffkonzentration ist jeweils auf Mercaptamin bezogen.

Präparate im Handel (ausgewählte Beispiele):

Präparat Darreichungsform Stärke (Mercaptamin)
Natriumgehalt Problematische Hilfsstoffe Anwendungshinweis
Altersangabe
PROCYSBI® magensaftresistente Hartkapseln 25 mgSo
75 mgSo
„natriumfrei“ Kinder <6 Jahren dürfen keine intakten Hartkapseln erhalten (Grund: Aspirationsgefahr):
Kapseln werden geöffnet und
auf saure Nahrungsmittel (z.B. Apfelmus, Fruchtmarmelade)/Flüssigkeiten (z.B. Orangensaft) oder Wasser gestreut.
Nach Einnahme können 250 mL einer
sauren Flüssigkeit (z. B. Orangensaft) oder Wasser nachgetrunken werden.
1 Stunde vor und nach Einnahme möglichst keine Mahlzeiten oder Milchprodukte einnehmen.
Kinder (keine Altersbeschränkung)
CYSTAGON Hartkapseln 50 mg k.A. Kinder <6 Jahren dürfen keine intakten Hartkapseln erhalten (Grund: Aspirationsgefahr):
Kapseln werden geöffnet und über Nahrungsmittel gestreut (z.B. Milch, Kartoffeln, stärkehaltige Produkte).
Säurehaltige Getränke wie z. B. Orangensaft sollten vermieden werden.
Kinder (keine Altersbeschränkung)
CYSTAGON Hartkapseln 150 mg k.A.


So: sondengängig, k.A.: keine Angabe, „natriumfrei“: weniger als 1 mmol Natrium (23 mg) pro Einheit

Die Fachinformationen wurden am 04.07.2023 aufgerufen.

Lieferengpässe/weitere praktische Informationen

Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe)

Dosierungsempfehlungen

Nephropathische Cystinose
  • Oral
    • 1 Monat bis 12 Jahre
      [1] [2]
      • Initialdosis: 0,2 - 0,3 g/m²/Tag in 4 Dosen.
      • Erhaltungsdosis: Initialdosis wöchentlich erhöhen, in Abhängigkeit von der Verträglichkeit und dem Cystingehalt der Leukozyten (>1 nmol Hemicystin/mg Protein) auf 1,3 g/m²/Tag in 4 Dosen. Max: 1,95 g/m²/Tag.
      • Bei Verwendung der magensaftresistenten Formulierung sollte die Tagesdosis auf 2 Dosen verteilt werden.

        Behandlung durch oder nach Rücksprache mit endokrinologisch spezialisiertem Fachpersonal, das Erfahrung in der Anwendung von Mercaptamin in dieser therapeutischen Indikation hat.

    • 12 Jahre bis 18 Jahre
      [2]
      • Initialdosis: 0,3 - 0,5 g/Tag in 4 Dosen.
      • Erhaltungsdosis: Initialdosis wöchentlich erhöhen, in Abhängigkeit von der Verträglichkeit und dem Cystingehalt der Leukozyten (>1 nmol Hemicystin/mg Protein) auf 2 g/Tag in 4 Dosen. Max: 1,95 g/m²/Tag.
      • Bei Verwendung der magensaftresistenten Formulierung sollte die Tagesdosis auf 2 Dosen verteilt werden.
        Behandlung durch oder nach Rücksprache mit endokrinologisch spezialisiertem Fachpersonal, das Erfahrung in der Anwendung von Mercaptamin in dieser therapeutischen Indikation hat.

Nierenfunktionsstörungen bei Kindern > 3 Monate

GFR ≥10 ml/min/1.73m2: Dosisanpassung nicht erforderlich.

GFR <10 ml/min/1.73m2: Eine allgemeine Empfehlung zur Dosisanpassung kann nicht gegeben werden.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei Kindern

Bei Kindern, die eine chronische Behandlung mit hohen Dosen von unterschiedlichen Cysteamin Präparaten (Cysteaminchlorhydrat oder Cystamin oder Cysteaminbitartrat) erhielten, die meist die maximale Tagesdosis von 1,95 g/m2 überschritten, wurde über das Auftreten eines Syndroms ähnlich dem Ehlers-Danlos-Syndrom und Gefäßstörungen im Bereich der Ellbogen berichtet. In einigen Fällen waren diese Hautläsionen mit vaskulärer Proliferation, Hautstreifen und Knochenläsionen assoziiert, die erstmals bei einer Röntgenuntersuchung auffielen. Bei den berichteten Knochenerkrankungen handelte es sich um X-Beine, Beinschmerzen und Überstreckung der Gelenke sowie Osteopenie, Kompressionsfrakturen und Skoliose [SmPC Cystagon].

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen allgemein

Sehr häufig (>10 %): Erbrechen, Übelkeit, Durchfall, Anorexie, Lethargie, Pyrexie

Häufig (1-10 %): abnormale Leberfunktionstests, Kopfschmerzen, Enzephalopathie, Bauchschmerzen, Atemgeruch, Dyspepsie, Gastroenteritis, abnormaler Körpergeruch, Hautausschlag, Asthenie

Gelegentlich (0,1-1 %): Leukopenie, Somnolenz, Krampfanfälle, gastrointestinale Ulzerationen, nephrotisches Syndrom, Veränderung der Haarfarbe, Hautstreifen, Sprödigkeit der Haut (molluskoider Pseudotumor im Bereich der Ellbogen), Gelenk-Überstreckung, Beinschmerzen, X-Bein, Osteopenie, Kompressionsfraktur, Skoliose, anaphylaktische Reaktion, Nervosität, Halluzinationen

Die vollständige Auflistung aller unerwünschter Arzneimittelwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Kontraindikationen allgemein

  • Schwangerschaft (v.a. 1. Trimester), Stillzeit

Die vollständige Auflistung aller Kontraindikationen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen bei Kindern

Die Behandlung der nephropathischen Cystinose wird in spezialisierten pädiatrischen Nierenzentren durchgeführt.

Bei Kindern wurde unter einer Behandlung mit hohen Dosen von unterschiedlichen Cysteamin-Präparaten (Cysteaminchlorhydrat oder Cystamin oder Cysteaminbitartrat), die meist die maximale Tagesdosis von 1,95 g/m2 überschritten, über das Auftreten eines Syndroms ähnlich dem Ehlers Danlos-Syndrom sowie Gefäßstörungen im Bereich der Ellbogen berichtet. Diese Hautläsionen waren mit vaskulärer Proliferation, Hautstreifen und Knochenläsionen assoziiert.
Es wird deshalb empfohlen, regelmäßige Hautuntersuchungen durchzuführen und bei Bedarf Röntgenkontrollen der Knochen in Erwägung zu ziehen. Sollten ähnliche Haut- oder Knochenanomalien auftreten, empfiehlt sich eine Reduzierung der Mercaptamin Dosis.
[SmPC Cystagon 50 mg Hartkapseln] 

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen allgemein

Für allgemeingültige Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen informieren Sie sich bitte in den aktuellen Fachinformationen.

Wechselwirkungen

Interaktionspartner Grund Handlungsempfehlung
Antazida, z.B. Bicarbonat

Vorzeitige Freisetzung von Mercaptamin aus Retard-Präparaten bei durch Antazida erhöhtem gastralen pH-Wert.

Mercaptamin entweder eine Stunde vor oder nach der Gabe von Antazida einnehmen.


Die vollständige Auflistung aller Wechselwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen und einschlägigen Wechselwirkungsdatenbanken zu entnehmen.

ANDERE MITTEL FÜR DAS ALIMENTÄRE SYSTEM UND DEN STOFFWECHSEL

In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.

Aminosäuren und Derivate

Carglumsäure

Carbaglu®, Syn: N-Carbamoyl-L-Glutaminsäure
A16AA05
Enzyme

Agalsidase alfa

Replagal®
A16AB03

Agalsidase beta

Fabrazyme®
A16AB04

Alglucosidase alfa

Myozyme®
A16AB07

Asfotase alfa

Strensiq®
A16AB13

Galsulfase

Naglazyme®
A16AB08
Sonstige Mittel für das alimentäre System und den Stoffwechsel

Lumasiran

Oxlumo®
A16AX18

Sapropterin

Kuvan®, Syn: Tetrahydrobiopterin, BH4
A16AX07

Teduglutid

Revestive®
A16AX08

Trientin

Cuprior®, Cufence®; Syn: TETA, Triethylentetramin
A16AX12

Zink

Wilzin®
A16AX05

Referenzen

  1. Blau, Hoffmann, Leonard and Clarke, Physicians guide to the treatment and follow-up of metabolic diseases., Springer, 2006
  2. Recordati Rare Diseases, SmPC Cystagon (EU/1/97/039/001) Rev 19, 25-07-2024, www.ema.europa.eu
  3. Chiesi Farmaceutici S.p.A., SmPC PROCYSBI® 25 mg, 75 mg magensaftresistente Hartkapseln (EU/1/13/861/001) , 08/2022
  4. Recordati Rare Diseases, SmPC CYSTAGON 50 mg Hartkapseln (EU/1/97/039/001) , 07/2024
  5. Recordati Rare Diseases, SmPC CYSTAGON 150 mg Hartkapseln (EU/1/97/039/003), 07/2024

Änderungsverzeichnis

  • 01 September 2023 13:59: Neue Monographie

Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)


Überdosierung