Heparin ist ein hochgereinigtes Na-Mucoidinpolysulfat mit einer an mehreren Stellen des Gerinnungssystems angreifenden, gerinnungshemmenden Wirkung. Für die antikoagulatorische Wirkung ist ein Pentasaccharid verantwortlich, das an hochaffine Bindungsstellen am Antithrombin (AT) bindet. Unfraktioniertes Heparin bildet mit AT und Thrombin (F IIa) ternäre Komplexe, wodurch die normalerweise mit relativ geringer Geschwindigkeit ablaufende Inaktivierung von Thrombin durch AT um das etwa 1000fache beschleunigt wird. Der Heparin-AT-Komplex fördert auch die Inaktivierung von F Xa, IXa, XIa und XIIa. Das Verhältnis der Anti-F Xa-Aktivität zur Anti-F IIa-Aktivität von unfraktioniertem Heparin beträgt 1:1.
In höherer Konzentration bindet Heparin an Heparin-Cofactor II und inaktiviert damit Thrombin durch einen zweiten Mechanismus.
Hochmolekulare Anteile von Heparin können die Funktion von Blutplättchen hemmen.
Darüber hinaus stimuliert Heparin Endothelzellen, bindet unspezifisch an verschiedene Plasma- und Plättchenproteine (z.B. von Willebrand Faktor), hemmt die Proliferation glatter Muskelzellen, aktiviert Osteoklasten und setzt aus der Gefäßwand die Lipoproteinase frei, wodurch die Entfernung der vorwiegend in Chylomikronen enthaltenen exogenen Triglyceride aus dem Plasma beschleunigt wird.
Unfraktioniertes Heparin stellt aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit und der Möglichkeit zur Antagonisierung (Protamin) das Mittel der Wahl für die akute Antikoagulation bei kritisch kranken Patienten, insbesondere mit erhöhtem Blutungsrisiko dar.
Die Plasmakonzentration und die Wirkung von unfraktioniertem Heparin sind altersabhängig. Bei Säuglingen und Kleinkindern führt eine gleiche Dosis zu niedrigeren Heparinspiegeln und einer geringeren Anti-Xa-Wirkung als bei älteren Kindern [Newall et al. 2010].
Eine höhere Clearance, ein größeres Verteilungsvolumen und eine kürzere Halbwertszeit wurden bei 25 Frühgeborenen beobachtet [McDonald et al. 1981]:
Alter | 25-28 Wochen GA1 |
29-32 Wochen GA1 |
33-36 Wochen GA1 |
6 Monate -15,5 Jahre2 |
T1/2 (min) | 41,6 | 35,5 | 35,5 | 45,6 |
Cl (ml/min/kg) | 1,49 | 1,43 | 1,37 | 0,6 |
Vd (ml/kg) | 81,0 | 73,3 | 57,8 | 37,3 |
1: McDonald et al., 1981
2: Newall et al. 2009
GA: Gestationsalter
Injektionslösung
als Ampulle/Durchstechflasche 5000 I.E./ml, 10.000 I.E., 25.000 I.E. (subkutan, intravenös als Injektion oder Infusion)
als Fertigspritze 5000 I.E., 7.500 I.E. (nur subkutane Anwendung)
Allgemein
Die im Handel befindlichen Präparate enthalten Heparin in Form von Heparin-Natrium (aus Schweinedarm-Mukosa). Die Angabe der Wirkstoffkonzentration ist jeweils auf Heparin-Natrium bezogen. Präparate, die Benzylalkohol enthalten dürfen nicht bei Früh- und Neugeborenen angwendet werden.
Parenterale Anwendung
Präparate im Handel (ausgewählte Beispiele):
Präparat | Darreichungsform | Stärke als Heparin-Natrium |
Applikationsweg | Natriumgehalt | Problematische Hilfsstoffe |
Heparin-Natrium Braun 25.000 I.E./5 ml | Injektions-/Infusionslösung in Durchstechflaschen | 25.000 I.E./5 ml (5.000 I.E./ml) | intravenös (Injektion, Infusion), subkutan | weniger als 1 mmol (23 mg) Natrium pro Dosis | Benzylalkohol (12,5 mg/ml) |
Heparin-Natrium Braun “Multi” 10.000 I.E./ml | Injektionslösung in Durchstechflaschen | 100.000 I.E./10 ml (10.000 I.E./ml), 200.000 I.E./20 ml (10.000 I.E./ml) |
intravenös (Injektion, Infusion), subkutan | weniger als 1 mmol (23 mg) Natrium pro Dosis | Benzylalkohol (12,5 mg/ml) |
Heparin-Natrium-250000-ratiopharm® | Injektionslösung in Durchstechflaschen | 250.000 I.E./10 ml (25.000 I.E./ml) | intravenös (Injektion, Infusion), subkutan | 182 mg pro Durchstechflasche | Benzylalkohol (10 mg/ml) |
Heparin-Natrium-5000-ratiopharm® | Injektionslösung in Ampullen/Fertigspritzen | 5.000 I.E./0,2 ml | Fertigspritze: subkutan Ampulle: intravenös (Injektion, Infusion), subkutan |
weniger als 1 mmol (23 mg) Natrium pro Ampulle/Fertigspritze | – |
Heparin-Natrium-7500-ratiopharm® FS | Injektionslösung in Fertigspritzen | 7.500 I.E./0,3 ml | subkutan | k.A. | – |
k.A.: keine Angabe
Die Fachinformationen wurden am 13.08.2021 aufgerufen.
Neben den aufgeführten Präparaten befinden sich diverse Generika im Handel.
Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe)
Gehe zu:
Thromboseprophylaxe bei Patienten mit erhöhtem Thromboserisiko (bei Kombination von Risikofaktoren wie Zentralvenenkatheter, Operation, Immobilisation, Intensivbehandlung etc.) |
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Thromboseprophylaxe bei Herzkatheteruntersuchung |
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Behandlung einer Venenthrombose |
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Heparinblock |
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GFR ≥10 ml/min/1.73m2: Dosisanpassung nicht erforderlich.
GFR <10 ml/min/1.73m2: Eine allgemeine Empfehlung zur Dosisanpassung kann nicht gegeben werden.
Heparin kann während der Dialyse als Antikoagulans verwendet werden.
Blutungen, HITT-Syndrom (durch Heparin ausgelöste Thrombozytopenie und Thrombose)
Sehr häufig (>10 %): Blutungen, Anstieg der Leberenzymwerte (Anstieg der Serumkonzentrationen der Transaminasen (AST, ALT), Gamma-Glutamyl-Transpeptidase, Lactat-Dehydrogenase und Lipase, was möglicherweise zu erhöhten Spiegeln freier Fettsäuren führt)
Häufig (1-10 %): heparininduzierte Thrombozytopenie vom Typ I, lokale Gewebereaktionen an der Injektionsstelle, wie Verhärtung, Rötung, Verfärbung und kleinere Hämatome
Gelegentlich (0,1-1 %): Vorübergehende Alopezie nach langfristiger Verabreichung, Hautnekrosen, allergische Reaktionen aller Arten und Schweregrade, mit unterschiedlichen Erscheinungsformen (z.B. Urtikaria, Pruritus,
Dyspnoe, Bronchospasmen, Blutdruckabfall)
Selten (0,01-0,1 %): Hypoaldosteronismus, der zu Hyperkaliämie und metabolischer Azidose führt, insbesondere bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion und Diabetes mellitus, schwere heparininduzierte antikörpervermittelte Thrombozytopenie (heparininduzierte Thrombozytopenie Typ II)
Sehr selten (<0,01 %): anaphylaktischer Schock, Auftreten einer Thrombozytopenie vom Typ II mit einer Verzögerung von bis zu mehreren Wochen nach Ende der Verabreichung von Heparin, Priapismus
Häufigkeit nicht bekannt: Eosinophilie, bleibende oder vorübergehende Lähmung durch subarachnoidale oder epidurale Hämatome nach neuraxialer Anästhesie, Osteoporose (nach langfristiger Verabreichung von Heparin), Allergie vom verzögerten Typ (z.B. erythematöse Papeln und Plaques an der Injektionsstelle), die mit einer Latenz von bis zu mehreren Monaten auftreten können.
Die vollständige Auflistung aller unerwünschter Arzneimittelwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Darreichungsformen, die Benzylalkohol enthalten, dürfen nicht an Neugeborene, insbesondere unreife Frühgeborene verabreicht werden.
Die vollständige Auflistung aller Kontraindikationen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.
Bei einem signifikantem Blutungsrisiko sollte Heparin nicht verabreicht oder die Dosis reduziert werden. Thrombozyten überwachen.
Cave: Protamin bei Überdosierung verabreichen.
Für allgemeingültige Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen informieren Sie sich bitte in den aktuellen Fachinformationen.
Interaktionspartner | Grund | Handlungsempfehlung |
Direkte orale Antikoagulantien z.B. Dabigatran, Rivaroxaban | Erhöhtes Blutungsrisiko durch additive Effekte. | Kombination vermeiden. Falls Kombination unvermeidbar, ggf. Dosis anpassen und Monitoring auf Nebenwirkungen (Blutungen). |
Thrombozytenaggregationshemmer z.B. Acetylsalicylsäure, Ticlopidin, Clopidogrel Fibrinolytika z.B. Alteplase Andere Antikoagulantien z.B. Cumarinderivate, Fondaparinux, andere Heparine Nichtsteroidale Antiphlogistika z. B. Diclofenac, Celecoxib Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer z.B. SSRIs, SNRIs, TCAs, Tramadol Prostazyklin-Analoga z.B. Esoprostenol, Iloprost |
Erhöhtes Blutungsrisiko durch additive Effekte. | Überwachung auf Nebenwirkungen, ggf. Dosis anpassen. |
Arzneimittel, die den Serumkaliumspiegel erhöhen können z. B. Aliskiren, ACE-Hemmer | Erhöhung der Kaliumspiegel möglich. | Regelmäßige Kontrolle der Kaliumspiegel, ggf. Dosis anpassen. |
Ipilimumab | Schwerwiegende gastrointestinale Blutungen möglich. | Engmaschige Überwachung auf Nebenwirkungen. |
Die vollständige Auflistung aller Wechselwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen und einschlägigen Wechselwirkungsdatenbanken zu entnehmen.
In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.
Vitamin-K-Antagonisten | ||
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Falithrom®, Marcumar®, Marcuphen®, Phenprogamma®
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B01AA04 |
Heparingruppe | ||
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Fragmin®
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B01AB04 | |
Orgaran®
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B01AB09 | |
Clexane®, Crusia®, Hepaxane®, Inhixa®
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B01AB05 | |
Fraxiparine®, Fraxodi®
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B01AB06 | |
Innohep®
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B01AB10 |
Thrombozytenaggregationshemmer, exkl. Heparin | ||
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Aspirin®, Godamed®, Alka-Seltzer classic®, Acesal®; Syn: ASS
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B01AC06 | |
Plavix®, Iscover®
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B01AC04 | |
Veletri®
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B01AC09 |
Enzyme | ||
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Actilyse®
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B01AD02 |
Direkte Thrombininhibitoren | ||
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Pradaxa®
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B01AE07 |
Direkte Faktor-Xa-Inhibitoren | ||
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Xarelto®
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B01AF01 |
Andere antithrombotische Mittel | ||
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Defitelio®
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B01AX01 |