Protamin

Wirkstoff
Protamin
Handelsname
ATC-Code
V03AB14

Zulassung
Dosierungsempfehlungen

Präparate
Pharmakodynamik und -kinetik
Nierenfunktionsstörungen
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Kontraindikationen
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

Wechselwirkungen
Wirkstoffe der gleichen ATC-Klasse
Referenzen
Änderungsverzeichnis

Pharmakodynamik

Protamin ist ein Polypeptid, das zu 67 % aus Arginin besteht und hochalkalisch ist. Die Aufhebung der Wirkung von unfraktioniertem Heparin erfolgt durch eine Heparin-Protamin-Interaktion. Dabei erfolgt die Neutralisierung des stark negativ geladenen Heparins durch Ausbildung eines Komplexes mit dem positiv geladenen Protamin. Bei dieser Reaktion verliert das gebundene Heparin die gerinnungshemmende Wirkung.

1 ml Protamin ME 1000 I.E./ml neutralisiert 1000 I.E. Heparin in vitro. In vivo werden geringere Mengen benötigt, da der Organismus selbst Heparin inaktiviert. Nach intravenöser Gabe von Protamin tritt die heparinantagonisierende Wirkung innerhalb kürzester Zeit (Minuten) ein. In Abwesenheit von Heparin gegeben, wirkt Protamin insbesondere in höherer Dosierung antikoagulatorisch. Protamin antagonisiert nur zum Teil die Wirkung von fraktionierten, niedermolekularen Heparinpräparaten.

Pharmakokinetik bei Kindern

Es sind keine spezifischen Informationen für Kinder vorhanden.

Zulassung der Dosierungsempfehlungen

  • Überdosierung mit unfraktioniertem Heparin (UFH) oder niedermolekularen Heparinen (NMH)
    • intravenös
      • ≥1 Monat bis <18 Jahre: off-label

Auszug aus Fachinformation Auszug aus Fachinformation

Textauszug aus Fachinformation

Intravenös zur Antagonisierung von unfraktioniertem Heparin bei:
– Extrakorporaler Zirkulation
– Interventionellen und operativen gefäßchirurgischen Maßnahmen
– Heparin-induzierten Blutungen im Rahmen einer Nierenersatztherapie oder extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO)

Kinder und Jugendliche
Die Sicherheit und Wirksamkeit von Protamin bei Kindern ist bisher noch nicht erwiesen. Es liegen keine Daten vor.

Erfahrungsgemäß antagonisieren 1000 I.E. Protaminhydrochlorid ca. 1000 I.E. unfraktioniertes Heparin.

Nadroparin-Ca: 1 mg oder 100 Antiheparineinheiten Protaminhydrochlorid neutralisieren etwa 160 I.E. Anti-Xa Nadroparin.
Dalteparin-Na: 1 mg oder 100 Antiheparineinheiten Protaminhydrochlorid heben die Wirkung von 100 I.E. Dalteparin auf die Verlängerung der aPTT auf.
Enoxaparin-Na: 1 mg oder 100 Antiheparineinheiten Protaminhydrochlorid neutralisieren die Anti-Faktor-IIa-Aktivität, die von 0,01 ml Enoxaparin hervorgerufen wird.
Reviparin-Na: 1 mg oder 100 Antiheparineinheiten Protaminhydrochlorid neutralisieren 82 Anti-Xa-Einheiten (BRS) von Reviparin-Natrium.
Tinzaparin-Na: Intravenöse Darreichung 1 mg oder 100 Antiheparineinheiten pro 100 Anti-Xa-I.E. Tinzaparin.
Certoparin-Na: 1 mg oder 100 Antiheparineinheiten intravenös verabreichtes Protaminhydrochlorid können die gerinnungshemmende Wirkung von 200 I.E. Certoparin-Natrium auf aPTT, Thrombin sowie die Blutungszeit sofort und vollständig aufheben.

[Ref.]

Präparate im Handel

Injektions-/Infusionslösung 1000 I.E./mL, 1400 I.E./mL, 5000 I.E./mL

Präparate im Handel:

Präparat Darreichungsform Stärke als Antiheparineinheiten (I.E.) Applikationsweg Natriumgehalt Problematische Hilfsstoffe
Protamin ME 1000 I.E./ml Injektionslösung 1000 I.E./mL (≙ 10 mg Protamin-HCl/mL) intravenös „natriumfrei“ -
Protamin ME 5000 I.E./ml Injektionslösung 5000 I.E./mL (≙ 50 mg Protamin-HCl/mL) intravenös „natriumfrei“ -
Protaminsulfat LEO Pharma 1400 I.E./ml Injektions- und Infusionslösung 1400 I.E./mL (≙ 10 mg Protaminsulfat/mL) intravenös „natriumfrei“ -


„natriumfrei“: weniger als 1 mmol Natrium (23 mg) pro Einheit

Die Fachinformationen wurden am 09.06.2022 aufgerufen.

Anwendungshinweis: Die Anwendung von Protamin erfolgt ausschließlich intravenös (langsame Injektion oder langsame Infusion nach Verdünnung).

Lieferengpässe/weitere praktische Informationen

Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland (ohne Impfstoffe)

Dosierungsempfehlungen

Überdosierung mit unfraktioniertem Heparin (UFH) oder niedermolekularen Heparinen (NMH)
  • Intravenös
    • 1 Monat bis 18 Jahre
      [1]
      • Protaminsulfat/-hydrochlorid: Maximale Infusionsgeschwindigkeit: 5 mg/min, max: 50 mg/Dosis.

        Unfraktioniertes Heparin: Beurteilung mittels aktivierter partieller Thromboplastinzeit (aPTT). Die Dosierung hängt von der Dosis und dem Zeitpunkt der letzten Heparin-Verabreichung ab:

        Zeit seit der letzten Heparin-Verabreichung (min)  Dosis Protamin (mg) zur Neutralisierung von 100 Einheiten Heparin
         <30  1
         30-60  0,5 - 0,75
         60-120  0,375 - 0,5
         >120  0,25 - 0,375

        Die Protamin-Dosis ist nach subkutaner und intravenöser Heparin-Applikation gleich. Ein Teil der Dosis kann als langsame Infusion und die restliche Dosis anschließend über 8 - 16 h verabreicht werden.

        Weitere Dosen von Protamin können erforderlich sein, da Protamin schneller aus dem Blut eliminiert wird als Heparin. Die verlängerte Resorption nach s.c.-Verabreichung von Heparin deutet ebenfalls auf die Notwendigkeit einer wiederholten Gabe hin.


        NMH (Niedermolekulare Heparine):

        • 1 mg Protaminsulfat/-HCl neutralisiert im Allgemeinen 100 Einheiten Anti-Xa NMH.
        • Innerhalb von 4 h nach Verabreichung von NMH wird die Neutralisierung der gesamten Dosis angestrebt.
        • 4 - 8 h nach der Verabreichung von NMH wird die Neutralisierung von 50 % der Dosis angestrebt.
        • Informationen über die Protamin-Dosis zur Neutralisierung von NMH finden Sie in den Warnhinweisen der entsprechenden NMH-Monographie (Enoxaparin, Dalteparin, Nadroparin).

        Weitere Dosen von Protamin können erforderlich sein, da Protamin schneller aus dem Blut eliminiert wird als niedermolekulare Heparine. Die verlängerte Resorption nach s.c.-Verabreichung von NMH deutet ebenfalls auf die Notwendigkeit einer wiederholten Gabe hin.

      • off-label

Nierenfunktionsstörungen bei Kindern > 3 Monate

GFR ≥10 ml/min/1.73m2: Dosisanpassung nicht erforderlich.

GFR <10 ml/min/1.73m2: Eine allgemeine Empfehlung zur Dosisanpassung kann nicht gegeben werden.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen allgemein

Häufig (1-10 %): anaphylaktische und anaphylaktoide Reaktionen (Urtikaria), Bradykardie, Hypotonie, Vasodilatation, Flush, Bronchospasmus, Dyspnoe, Übelkeit, Erbrechen, Wärmegefühl

Selten (0,01-0,1 %): Angioödem, anaphylaktischer Schock, Rechtsherz- bzw. globales Herzversagen infolge pulmonaler Hypertonie, schwere Hypotonie und Hypertonie, pulmonal-arterielle Hypertonie, Lungenödem

Die vollständige Auflistung aller unerwünschter Arzneimittelwirkungen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Kontraindikationen allgemein

Neben Überempfindlichkeiten gegen den Wirkstoff oder einen sonstigen Bestandteil sind keine weiteren Gegenanzeigen bekannt.

Die vollständige Auflistung aller Kontraindikationen ist den aktuellen Fachinformationen zu entnehmen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen allgemein

Für allgemeingültige Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen informieren Sie sich bitte in den aktuellen Fachinformationen.

Wechselwirkungen

Die standardisierte Wechselwirkungsrecherche des Kinderformulariums führte zu keiner klinisch relevanten Interaktion.

ALLE ÜBRIGEN THERAPEUTISCHEN MITTEL

In diesem Abschnitt werden Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse zum Vergleich aufgelistet. Arzneistoffe der gleichen ATC-Klasse sind nicht per se untereinander austauschbar. Die Aufzählung darf daher nicht uneingeschränkt als Therapiealternative verstanden werden.

Antidote

Flumazenil

Anexate®
V03AB25

Hydroxocobalamin - Antidot

Cyanokit®; Syn: Vitamin B12
V03AB33

Iodid - Hochdosis

Syn: Jodid
V03AB21

Naloxon

Nyxoid®
V03AB15

Sugammadex

Bridion®
V03AB35
Eisen-Chelatbildner

Deferasirox

Exjade®
V03AC03

Deferipron

Ferriprox®; Syn: DFP
V03AC02

Deferoxamin

Desferal®; Syn: DFO
V03AC01
Mittel zur Behandlung der Hyperkaliämie und Hyperphosphatämie

Calciumacetat

Calcet®, Renacet®
V03AE07

Eisen(III)oxidsaccharat - oral

Velphoro®; Syn.: Eisenoxidsaccharat, Eisenoxidsucrose, Ferrioxidsaccharat, Eisen(III)hydroxid-Sucrose-Komplex, Sucroferric Oxyhydroxide
V03AE05

Sevelamer

Renagel®, Renvela®
V03AE02
Entgiftungsmittel für die Behandlung mit Zytostatika

Folinsäure

Leucovorin®
V03AF03
V03AF01
Mittel zur Behandlung der Hypoglykämie

Diazoxid

Proglicem®
V03AH01

Referenzen

  1. Monagle P, et al, Antithrombotic Therapy in Neonates and Children: Antithrombotic Therapy and Prevention of Thrombosis, 9th ed: American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines, Chest., 2012, https://doi.org/10.1378/chest.11-2308
  2. MEDA Pharma GmbH & Co, SmPC Protamin ME 1000 I.E./ml Injektionslösung (6037368.00.00), 10/2020
  3. MEDA Pharma GmbH & Co, SmPC Protamin ME 5000 I.E./ml Injektionslösung (6037397.00.00), 10/2020
  4. LEO Pharma A/S, SmPC Protaminsulfat LEO Pharma 1400 Heparin- Antidot I.E./ml Injektionslösung und Infusionslösung (64876.00.00), 10/2014

Änderungsverzeichnis

  • 02 August 2022 15:06: Neue Monographie

Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)


Überdosierung